Der Mann im Park: Roman (German Edition)
großen Dienstzimmer empfangen. Grönwall hatte es nervös gemacht, da drinnen zu sitzen, das Gefühl von Macht war zum Greifen nahe gewesen. Das Gefühl von Autorität ungemein stark.
Sie hatten eine Weile über den Mord an Ingrid Bengtsson gesprochen. Lindberg war damals an den Ermittlungen beteiligt gewesen. Er war nur Hauptwachtmeister gewesen, aber dennoch eine zentrale Person bei der Arbeit. Stierna hatte ihn angeleitet, hatte die Verantwortung für den Fall, der in wenigen Tagen verjährt sein würde.
Heute war Roland Lindberg Chef einer Kriminalpolizei, die viel größer war als zu der Zeit, als Gustaf Berner zur Jagd auf den Mörder an Ingrid Bengtsson Ende der Zwanzigerjahre blies. Eine sehr viel spezialisiertere, bürokratischere Kriminalpolizei.
Sie hatten über zwei Stunden zusammengesessen. Grönwall war verwundert darüber gewesen, dass Lindberg sich so viel Zeit für ihn genommen hatte. Gegen Ende war der Direktor fast vertraulich geworden. Grönwall hatte ihn gefragt, was für ein Gefühl es war, Chef der Kriminalpolizei von Stockholm zu sein, einer der mächtigsten Polizeibeamten des Landes. Lindberg hatte geschmunzelt, bevor er antwortete. Der Journalist hatte das Gefühl, als läge auch eine Spur von Scham in dem Lächeln.
»Manchmal ist das ein richtig gutes Gefühl. Manchmal ganz und gar nicht. Es war ja nicht geplant, dass ich den Posten übernehmen sollte. Das war nie Berners Plan gewesen. John hatte ihn einnehmen sollen.«
Früher einmal war Stierna groß gewesen, dachte Grönwall. Er hatte die Macht übernehmen sollen. Jetzt wirkte er eher wie ein Trümmerhaufen.
Stockholm 1928
48
Stierna drückte die Kippe im Aschenbecher aus und schloss das Fenster. Er war wieder in Berners Dienstzimmer, hatte zwei Zigaretten geraucht, während er auf die anderen wartete.
Sie trudelten einer nach dem anderen ein. Als Erster Lindberg. Lundby ein paar Minuten später, dann Rehn. Er grüßte Stierna, obwohl sie sich bereits auf dem Flur begegnet waren. Berner kam als Letzter, dabei hatte er den kürzesten Weg, nur eine Treppe hinunter.
Stierna setzte sich an den Konferenztisch und schaute in seinen Taschenkalender. Es war Montag, der vierundzwanzigste September.
Berner öffnete seine Aktentasche und warf ein paar Zeitungen auf den Tisch. Morgenzeitungen und das Aftonbladet .
»Was meinen die Herren, wie viel über den Mord an Ingrid Bengtsson heute in den Blättern steht?«
Hat Berner sich bisher damit beschäftigt?, fragte Stierna sich. Zeitungen gelesen?
Er warf einen schnellen Blick auf die Titelseiten. Dort stand nichts über den Tod des achtjährigen Mädchens. Wohl kaum etwas auf den anderen Seiten, wie Stierna vermutete. Der Mord verschwand langsam aus dem Bewusstsein der Menschen; die letzte Woche hatten sie keine einzige Pressekonferenz bezüglich des Falls abgehalten. Die Kopie von Ingrids verschwundenem Kettenanhänger wurde nicht mehr veröffentlicht.
»Die Presse interessiert das nicht mehr«, fuhr Berner fort. »Bald fangen die Leute an, den Fall zu vergessen. Aber wir dürfen ihn nie vergessen. Wir müssen alles tun, um diesen verdammten Kerl zu fassen.«
Berner fluchte selten. Stierna konnte sich nicht erinnern, ihn jemals fluchen gehört zu haben. Das hier war wichtig für den Direktor. Das war wichtig für sie alle.
»Wir werden ihn schnappen«, sagte Stierna.
»Glaubst du?«, fragte Berner.
»Ja.«
Stierna hatte vor nicht allzu langer Zeit Maria Bengtsson genau das versprochen: dass sie den Mann fassen würden, der ihre Tochter ermordet hatte.
Er sah aus dem Fenster. Der Dauerregen hatte wieder eingesetzt.
Berner eröffnete die Sitzung; Stierna hörte nicht richtig zu. Doch er hörte, dass Lindberg etwas über Åke Erlandsson sagte, Thomas Franzéns Nachbar, als dieser in Stockholm gewohnt hatte, bevor seine Tochter Ingrid geboren wurde. Franzén hatte behauptet, er hätte Erlandsson erzählt, dass er eine Tochter hat. Ihm und zwei weiteren Freunden. Aber Erlandsson hatte das abgestritten, behauptet, er hätte keine Ahnung von dem Mädchen. Lindberg hatte versucht, das zu klären, er hatte Franzén in Göteborg angerufen. Ingrids Vater war unsicher geworden, hatte erklärt, dass er sich wohl nicht mehr so genau erinnern konnte.
Der Mörder hatte Ingrid gegenüber behauptet, er kenne ihren Vater. Dennoch zögerte Stierna. Er nahm an, dass er das nur gesagt hatte, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
»Ich möchte wissen, was läuft«, forderte Berner.
Stierna rieb sich die
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