Der Mann im Park: Roman (German Edition)
glaubte das nicht.
Welcher erwachsene Mann kaufte Sammelbilder?, dachte er.
Stierna war klar, diese Frage war wichtig, zeigte, was sie als Nächstes tun mussten. Sie würden in den Läden nachfragen. Überall in Stockholm, wo man diese Sammelbilder kaufen konnte. Die Verkäufer würden sich kaum an all die Kinder erinnern, die sie gekauft hatten. Aber an einen erwachsenen Mann schon eher.
Gegen neun Uhr brach Stierna auf. Er hatte vor vielen Stunden daheim bei Karolina angerufen. Ihr gesagt, dass es wieder spät werden würde. Er wusste nicht, wie viele Abende sie im letzten Monat nicht zusammen gegessen hatten, er hatte den Überblick verloren. Das war ihm unangenehm, aber er hatte keine andere Wahl.
Als er die Wohnung betrat, rief er: »Ist jemand zu Hause?« Sie antwortete, und er hängte seinen Mantel an die Garderobe.
Karolina saß am Küchentisch. Demonstrativ zeigte sie auf die Uhr.
»Ich habe doch gesagt, dass es spät wird«, verteidigte er sich.
»Darum geht es nicht. Oder, es geht nicht um heute Abend … Du bist im Augenblick immer zu spät.«
»Es tut mir leid … Aber was soll ich denn machen, Karolina. Selbst wenn ich wollte …«
Sie unterbrach ihn.
»Du bist nie zu Hause. Ich bin es leid, immer allein essen zu müssen. Ich vermisse dich. Wir sehen uns gar nicht mehr.«
Er setzte sich ihr gegenüber.
»Jetzt übertreibst du aber. Natürlich bin ich zu Hause. Und das liegt nur an diesem Fall, der braucht seine Zeit.«
»John, bitte antworte mir ganz ehrlich: Gibt es eine andere?«
Die Frage brachte ihn aus der Fassung.
»Eine andere? Was ist das für eine Idee? Glaubst du etwa, ich würde mich abends mit einer anderen Frau treffen?«
Schweigend schaute Karolina ihn an.
»Ich ermittle in einem Mord an einem Mädchen, das nicht einmal neun Jahre alt geworden ist«, fuhr er fort. »Jemand hat sie mit einer Schlinge bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, bevor er ihr den Schädel zertrümmert hat. Das ist wohl Grund genug, länger zu arbeiten und spät nach Hause zu kommen.«
Sofort bereute er, so aufbrausend gewesen zu sein, er stand auf, um sie in den Arm zu nehmen. Doch Karolina wich ihm aus.
»Du musst das ändern«, sagte sie. »Du musst diesen Überstunden einen Riegel vorschieben.«
Lange schaute er sie an, bevor er antwortete.
»Das kann ich nicht.«
Visby 1953
47
Stierna lehnte sich an die Mauer. Das Meer breitete sich vor ihm aus. Er stellte den Stock beiseite, schaute über die Dächer unter sich. Über Visby, die hügelige Stadt.
Sie waren eine ganze Weile zwischen den gemauerten Häusern spazieren gegangen, Grönwall und er.
Der Journalist legte seinen Block auf die Mauer.
»Sie haben also von jedem Mann, der in den Ermittlungen auftauchte, die Fingerabdrücke genommen? Von jedem?«
Stierna musterte ihn.
»Zumindest von denen, die wir kannten. Von denen, deren Namen wir hatten. Auf die mit einem wasserdichten Alibi haben wir verzichtet. Und auf diejenigen, die als Täter absolut nicht infrage kamen.«
Stierna schmunzelte. Grönwall fand, das Lächeln sah müde aus. Angestrengt.
»Dann haben Sie also auch von Männern Fingerabdrücke genommen, die gar nicht unter Verdacht standen?«
»Das ist richtig.«
»Und wie viele waren das insgesamt?«
Stierna zuckte mit den Schultern.
»Das kann ich nicht mehr genau sagen. Mehrere Hundert.«
»Warum?«
»Weil einem Mädchen, das nicht einmal neun Jahre alt wurde, auf einer stillgelegten Werft auf Djurgården der Schädel eingeschlagen wurde.«
Grönwall hatte eine solche Antwort nicht erwartet. Sie kam nicht impulsiv, eher wie eine Feststellung. Wie eine traurige Feststellung.
»Tun Sie nicht so, als würde Sie das überraschen«, fuhr Stierna fort. »Das haben wir früher schon gemacht, und das machen wir immer noch. Sie wissen das. Sie sind Journalist, natürlich wissen Sie das.«
Er sagt immer noch wir, dachte Grönwall, obwohl er behauptet, er hätte das alles hinter sich gelassen. Obwohl er betont, dass er kein Kommissar mehr ist.
»Gab es Männer, die sich geweigert haben?«
»Nein. Niemand. Wir konnten die, die nicht direkt unter Verdacht standen, ja nicht zwingen, aber wir konnten sie bitten. Und die Unschuldigen weigern sich eigentlich so gut wie nie.«
Stierna sah zum Himmel hinauf. Die Sonne schien. Er dachte an den Herbst 1928. Da war es fast die ganze Zeit grau gewesen. Grau und kalt.
Sicher, einige der Männer, denen Högstedt und Strand vor jetzt fast fünfundzwanzig Jahren die Fingerabdrücke
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