Der Mann im Schatten - Thriller
jammern. Sie wächst zu einer identischen Kopie von Talia heran.
Ich schneide die Torte auf und verpatze es wie üblich, während Justine über den Tisch zu ihrer Mutter hinübergereicht wird. Ich halte einen Moment inne, um sie zu betrachten; Mutter, Tochter und Enkelin mit dem gleichen olivefarbenen Teint und den dunklen italienischen Zügen, die ihnen allen gemeinsam sind.
Als ihre Eltern gegangen und die Kinder im Bett sind, nehme ich Talia in die Arme, sauge den Duft ihres Shampoos in mich auf, die seidige Haut ihres Nackens, die hellen Augen, die in zahllosen Farben zu funkeln scheinen, und das in ihrem Bauch entstehende Leben. Mein Herz pocht gegen meine Brust, gegen ihren eng an mich gepressten Körper, und die Worte Ich liebe dich reichen in diesem Moment bei weitem nicht aus, um das zu beschreiben, was ich empfinde.
Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als die Uhr endlich nach Mitternacht anzeigte, als hätte das Vergehen einer Minute oder einer Stunde etwas Magisches. Bis zu Sammys Prozess waren es nur noch zwei Wochen, und ich hatte jede
Menge zu tun. Ich musste der Anklage die Beweise offenlegen, die ich gegen Archie Novotny gesammelt hatte, die Fotokopien der Schecks, die er dem Music Emporium ausgestellt hatte. Ebenso musste ich sie über den neuen Verdächtigen Kenny Sanders und seine eindeutige Identifizierung durch Tommy Butcher informieren. Nach wie vor standen die Gespräche mit den Augenzeugen der Anklage aus: Griffin Perlinis Nachbar und das ältere Pärchen, die Sammy als Mörder wiedererkannt hatten.
Ich musste Smith enttarnen und die Leute, die er vertrat, weil sie voraussichtlich versuchen würden, mich und Pete verschwinden zu lassen, sobald Sammys Prozess erst einmal über die Bühne war.
In zwei Tagen, am Dienstag, würde ich vor Gericht erscheinen müssen, um meinen Antrag auf einen beschleunigten DNA-Test der Leichen beziehungsweise eine Verschiebung des Prozesses zu begründen. Smith hatte heftig Einspruch dagegen erhoben, und ich hoffte immer noch, er würde einlenken, seine Zeugen zurückpfeifen und Pete vom Haken lassen, wenn ich auf meinen Antrag verzichtete. Aber vielleicht würde er auch einen Fehler begehen und sich irgendeine Blöße geben. Es war kaum mehr als ein Schuss ins Dunkle, aber das war alles, was ich im Moment tun konnte.
Wenn man von Denny DePrizio absah. Ein weiterer Schuss ins Dunkle.
Fragezeichen. Jede Menge. Und die Zeit lief mir davon.
43
Smith angelte sich ein Grissini aus dem Korb, betrachtete es, konnte sich jedoch nicht dazu entschließen, hineinzubeißen. Das Hinterzimmer im Locallo war düster, aber warm, und die Rigatoni waren die besten der ganzen Stadt, doch sein Appetit ließ ihn an diesem Abend im Stich. Noch einmal ging er die Ereignisse bis zum heutigen Tag durch, fragte sich, ob er an irgendeinem Punkt einen Fehler gemacht hatte. Und kam zu dem Schluss, dass der einzige Fehler darin bestand, Jason Kolarich unterschätzt zu haben.
»Dieser verfluchte Mistkerl weiß, wie man pokert«, knurrte er. »Sein Antrag auf die DNA-Untersuchungen und der Prozessaufschub. Er weiß, wo er uns treffen kann. Er versucht, uns in Zugzwang zu bringen.«
»Er steht unter Druck.«
»Ja, verdammt, aber wir auch«, erwiderte Smith. Er kippte seinen Scotch in einem Zug und fühlte sich sofort noch schlechter. »Die Frage ist nur, ahnt er, warum wir unter Druck stehen?«
»Auf keinen Fall.«
»Woher willst du das wissen? Du hoffst es.« Smith fixierte Detective Denny DePrizio.
»Verlass dich drauf«, sagte DePrizio. »Er hat keinen blassen Schimmer, was läuft. Die Sache sitzt ihm im Nacken, aber er blickt nicht durch. Bei unserer Unterhaltung hat er quasi mit der weißen Flagge gewinkt. Er meinte, du hättest ihn in der Mangel. Er hätte keine Chance, dich zu finden, wenn nicht zufällig deine Fingerabdrücke auf diesem Aktenkoffer wären.«
Smith kannte seinen Gegenspieler nicht gut genug. Das war
von Anfang an das Problem gewesen. Jason Kolarich war nicht seine Wahl, Sammy Cutler hatte ihn verlangt. Und Kolarich war viel schwieriger zu steuern als erwartet.
»Der Typ ist ein stures Arschloch.« Smith sah zu DePrizio. »Ich denke, wir haben keine andere Wahl. Oder? Ich gehe davon aus, dass er den Antrag vor Gericht durchboxt. Die Richterin wird den Prozesstermin verschieben und ihn seine Scheiß-DNA-Tests machen lassen. Allein schon wegen dem Riesenrummel nach den Leichenfunden. Wir haben keine andere Wahl.«
»Er blufft«, entgegnete
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