Der Mann im Schatten - Thriller
des Ganzen besteht und ob man überhaupt irgendetwas Gutes mit seiner Tätigkeit bewirkt.
Etwa zwanzig Minuten später kam er heraus und ließ sich mir gegenüber in die Sitznische fallen. Er roch nach altem Bratenfett, und sein weißes Oberteil war an den Ärmeln durchweicht und mit verschiedenfarbigen Soßenflecken verschmiert.
Man sah Kenny Sanders seine achtunddreißig Jahre an, und noch ein paar Jahre mehr. Narben zogen sich über seine Stirn, seine Wangen waren von Pocken verunstaltet, und seinen dürren Hals zierte ein Tattoo, das wohl eine Art Waffe darstellte. Er roch förmlich nach Ex-Knacki: der geprügelte Ausdruck, das unterwürfige Hängen der Schultern.
»Ich bin Jason Kolarich«, begann ich, obwohl er das bereits wusste. »Sie wussten, dass ich kommen würde?«
»Klar.« Er nickte bestätigend, ohne mir in die Augen zu blicken.
»Haben Sie mit unserem Freund gesprochen?«
»Hab mit niemandem gesprochen, Boss.«
Richtig. So würde die offizielle Story lauten. »Sie waren in der Nacht des 21. September 2006 in diesem Apartmenthaus?«
»Klar.«
»Verraten Sie mir, mit wem Sie dort waren?« Auch über diese Information verfügte ich bereits, dank unseres gemeinsamen Freundes Smith.
»Jax und Clay«, erwiderte Sanders.
»Jackson Moore und Jimmy Clay?«
»Genau.« Er nickte immer noch.
»Und die werden aussagen, dass Sie etwa um halb zehn an diesem Abend gegangen sind?«
»Klar.«
Damit hätte Sanders genügend Zeit gehabt, einen kleinen Raubüberfall zu wagen, zum Beispiel auf diesen Kerl zwei Stockwerke höher namens Griffin Perlini, ein schwächlicher, kleiner Typ, der sicher ein leichtes Opfer war, aber dann lief die Sache irgendwie schief, na ja, und am Ende musste er diesem Kerl eine Kugel zwischen die Augen verpassen. Das wäre jedenfalls meine Version der Geschichte für die Jury. Kenny Sanders jedoch würde nie so weit gehen. Egal, welchen Deal er mit Smith hatte, wie viel dieser Mistkerl ihm auch für diese kleine Charade zahlte, Kenny Sanders würde niemals einen Mord gestehen, schon gar keinen, den er nicht begangen hatte. Nein, so wie ich die Sache sah, würde er zulassen,
dass man ihn zum Mordverdächtigen stempelte, und nicht mehr.
»Leugnen Sie, dass Sie Ihre Freunde gegen halb zehn abends verlassen haben?«
»Dazu sag ich nichts.«
Gut. »Haben Sie Ihre Freunde im ersten Stock des Gebäudes verlassen, um zwei Etagen höher zu Griffin Perlinis Apartment zu gehen?«
»Dazu sag ich nichts.«
»Haben Sie versucht, ihn zu bestehlen?«
»Dazu sag ich nichts.«
»Und als er sich wehrte, haben Sie ihm da zwischen die Augen geschossen?«
»Dazu sag ich nichts.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein Sir, dazu möchte ich nichts sagen.«
»Sind Sie aus dem Gebäude gerannt?«
»Dazu sag ich nichts.«
»Trugen Sie eine braune Bomberjacke aus Leder und eine grüne Wollmütze? Dazu sag ich nichts.«, antwortete ich für ihn.
»Dazu sag ich nichts«, pflichtete er mir bei.
Smith hatte diesen Kenny Sander gut präpariert. Es würde Zeugen geben, Jax und Clay, die bestätigten, dass er sich zur Tatzeit im Gebäude befand und dass er gegen 21.30 Uhr verschwand, was ihm erlaubt hätte, hinaufzugehen, Perlini bei einem missglückten Raubüberfall zu töten und dann aus dem Haus zu rennen, alles innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters.
Aber Kenny würde nichts davon zugeben und sich stattdessen auf sein Recht auf Aussageverweigerung berufen. Und
die Jury würde diesen Verweis auf den Fünften Verfassungszusatz so oft hören, dass sie ihn schon im Schlaf würde herbeten können. Der Staatsanwalt Lester Mapp würde daraufhin versuchen, Kenny Immunität anzubieten, um ihn trotzdem zu einer Aussage zu bewegen, aber Kenny würde einfach alles abstreiten, und ich, der große Verteidiger, würde die Zusicherung von Immunität als Waffe ins Feld führen, da sie normalerweise nur Schuldigen garantiert wird. Sobald Mapp den Weg der Immunität einschlug, würde er ihm als Bumerang mitten im Gesicht landen.
Sanders zog einen Ärmel hoch und kratzte über die trockene Haut auf seinem Arm. Dieser Mann hatte sich sein ganzes Leben lang schlecht ernährt, angefangen mit dem Junkfood in den Frittenbuden seines Viertels, bis hin zu dem ungenießbaren Müll, den sie einem im Knast servierten. Dieser Bursche hatte mit leeren Händen begonnen, und er würde auch so abtreten.
»Das ist lächerlich«, sagte ich.
»Nein.« Zum ersten Mal fixierte Kenny Sanders mich. »Nein, Sir.«
Er brauchte diesen Job,
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