Der Mann im Schatten - Thriller
Sam.«
Ich hatte Sammy noch in der Verwahrungszelle des Gerichts erwischt, bevor er ins Gefängnis zurückgebracht wurde. Mein Mandant lehnte an der Zellenwand, enttäuscht und niedergeschlagen.
»Sie sind jetzt bei zwölf?«, fragte er.
»Sagen wir, ich krieg ihn auf acht runter.«
»Nach heute?«
»Sammy, sagen wir, ich krieg ihn auf acht runter«, wiederholte ich. »Lass uns das einfach mal annehmen, okay? Schaffst du das?«
Er ließ es sich durch den Kopf gehen. Es war nicht leicht, so etwas zu schlucken, aber es hing immer auch davon ab, welche Alternativen sich boten.
»Ich habe Archie Novotny«, erklärte ich. »Und die haben dein Statement auf dem Revier, das einem Geständnis gleichkommt, sie haben dein Auto am Tatort zur Tatzeit, und sie haben Augenzeugen. Vielleicht, aber nur vielleicht, kann ich die
Aussagen dieser Zeugen zerpflücken, Sammy. Bisher konnte ich noch nicht mit ihnen sprechen. Aber was auch immer ich mit ihnen anstelle, es ändert nichts an der Tatsache, dass sie dich bei der Gegenüberstellung identifiziert haben.«
Er schwieg. Es war, als hätte er überhaupt nicht zugehört.
»Schaffst du acht?«, fragte ich.
»Nach allem, was dieses Arschloch meiner Schwester angetan hat?« Sammys Kopf fiel zurück gegen die Wand.
»Ich glaube nicht, dass Griffin Perlini Audrey getötet hat.« Ich platzte damit heraus, ohne nachzudenken. Ich hatte nicht geplant, es Sammy schon so bald zu erzählen. Schließlich änderte es nicht viel an unserem Fall - im Gegenteil, es schadete ihm eher. Aber ich dachte, es würde Sammy vielleicht helfen, eine Gefängnisstrafe zu akzeptieren.
Sammy starrte mich lange an, ohne etwas zu sagen.
»Erinnerst du dich an Mrs Thomas, unsere Nachbarin?«, fuhr ich schließlich fort. »Sie glaubt nicht, dass es Perlini war, der mit Audrey fortgerannt ist. Sie meint, Perlini sei viel kleiner gewesen als der Mann, den sie gesehen hat. Und das ist noch nicht alles, Sam. Hier kommt das eigentliche Problem: Perlini hatte ein kaputtes Knie. Sein Kreuzband war gerissen und ist nie operiert worden. Er konnte nicht rennen, Sam. Und der Kerl, der Audrey entführt hat, hat einen richtigen Sprint hingelegt.«
»Dann... wer?«
»Unser Freund Smith? Ich denke, er arbeitet für den wahren Täter. Seine Aufgabe besteht darin, zu verhindern, dass ich rausfinde, wer Audrey und auch die anderen Mädchen hinter der Schule wirklich umgebracht hat.«
Sammy stemmte sich hoch und begann, in der Zelle auf und ab zu tigern. Ich hatte keine Ahnung, was diese Offenbarung
in ihm ausgelöst hatte. Er war sein ganzes Leben fest von etwas überzeugt gewesen, und nun erzählte ich ihm, dass es eine Lüge war.
»Ich... ich hab einen Kerl umgebracht, der gar nicht...?«
Ich hab einen Kerl umgebracht. So offen hatte er es mir gegenüber noch nie ausgesprochen. Nun waren wir wieder quitt in puncto überraschende Offenbarungen. Sammy hatte tatsächlich Griffin Perlini ermordet.
»Du hast einen Typen getötet, der mehrere kleine Mädchen missbraucht hat«, sagte ich. »Vielleicht hat er kein einziges davon getötet. Keine Ahnung. Aber das macht ihn noch lange nicht zu einem guten Menschen.«
Dazu hatte Sammy nichts zu sagen.
»Denk über acht nach«, sagte ich, als der Deputy sich näherte, um uns mitzuteilen, dass die Gesprächszeit vorüber war.
Ich fuhr zurück ins Büro und ließ mich in meinen Sessel fallen. Ich hatte höllische Kopfschmerzen, aber keine Zeit für Selbstmitleid. Ich musste schleunigst das ältere Paar auftreiben, das Sammy als den Mann identifiziert hatte, der aus den Liberty Apartments gerannt kam. Und ich betete, ich würde irgendeinen Weg finden, ihre Aussage zu zerpflücken. Ich musste alles unternehmen, um Archie Novotny als potenziellen Tatverdächtigen aufzubauen. Er war der einzige Strohhalm, an den ich mich in Sammys Fall noch klammern konnte. Und dann war da noch die Kleinigkeit, das Verbrechen an Audrey aufzuklären, ihren Mörder aufzuspüren - und dabei hoffentlich auch meinen Bruder.
Mein Handy klingelte. Panik kroch in mir hoch. »Kolarich«, sagte Smith. »Ich verlange eine präzise Erklärung,
wie Sie den Fall zu gewinnen gedenken, nach diesem absoluten Desaster heute Morgen.« Er strengte sich an, bedrohlich zu klingen, aber die nervöse Spannung in seiner Stimme war unüberhörbar. Offensichtlich hatte er auf direktem Weg von den Entwicklungen dieses Morgens erfahren.
Leider konnte ich ihm nur wenig Stichhaltiges darüber erzählen, wie
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