Der Mann im Schatten - Thriller
ich den Fall zu gewinnen gedachte. Meine beste Option war ein Deal, und mit etwas Glück konnte ich den Ankläger auf acht Jahre runterhandeln. Lester Mapp schwebte auf Wolke sieben, seit er heute Butchers Aussage in der Luft zerfetzt hatte, aber der Grund, warum er einen Deal wollte, hing nicht mit der Stärke seines Falls zusammen. Es ging allein um die Wirkung in der Öffentlichkeit. In der Presse war Griffin Perlini zu einem Monster stilisiert worden, die Schlagzeilen berichteten schaudernd von Gräbern voller toter Mädchen, und der gewählte Bezirksstaatsanwalt würde keine Punkte sammeln, wenn er sich zu streng gegenüber dem Mann zeigte, der diese Bestie getötet hatte. Sie würden ihn nicht freisprechen können, aber sie würden eine stille Vereinbarung befürworten, damit rasch Gras über die ganze Sache wachsen konnte.
Aus diesem Grund hatte Lester Mapp vermutlich auch den Antrag gestellt, Butchers Aussage schon bei einer Anhörung für nicht zulässig zu erklären. Er hätte ebenso gut bis zur Verhandlung warten können, um mir dann die Beweise um die Ohren zu hauen, die Tommy Butchers Aussage platzenließen und meinen Fall in einen Scherbenhaufen verwandelten. Stattdessen machte er mir schon im Vorfeld klar, dass ich weniger gut dastand als gedacht, damit ich einer Absprache zustimmte.
»Ich habe einen weiteren Verdächtigen«, erklärte ich Smith.
»Sein Name ist Archie Novotny. Seine Tochter ist von Griffin Perlini missbraucht worden. Er ist der Meinung, Perlini hat seine Familie ruiniert. Und in der Mordnacht war er nicht da, wo er behauptet, gewesen zu sein. Er hat ein Alibi - eine Gitarrenstunde -, aber ich kann nachweisen, dass er an diesem Abend nicht dort war. Es ist ein falsches Alibi, Smith.«
Das war neu für ihn. Allerdings war er nicht bereit, mir seine Meinung darüber zu verraten. Er bat mich lediglich darum, die Geschichte zu wiederholen, und das mehr als einmal, anscheinend, um sich einen Eindruck von der Stärke des Falls zu verschaffen.
»Ich nehme nicht an, dass Sie Kenny Sanders dazu bewegen können, den Mord auf seine Kappe zu nehmen«, sagte ich.
»Ich habe es versucht. Er hat sich bereiterklärt, zuzugeben, dass er in der Nähe des Tatorts war, aber mehr auch nicht. Wir hätten Mr Butcher gebraucht, damit jemand bestätigt, dass Sanders bewaffnet aus dem Gebäude gerannt ist. Ohne Butcher ist er einfach nur ein Mann, der zufällig im Gebäude war.«
So weit war ich auch schon gewesen. »Dann machen wir es mit Archie Novotny«, sagte ich. »Ich kann den Fall gewinnen.«
»Verlieren ist ohnehin keine Option, Jason. Für Sie nicht und auch nicht für Ihren Bruder.«
Smith legte auf. Ich merkte, wie meine Augen sich zur Decke verdrehten, bevor ich sie schloss.
53
Carlo Butcher hockte teilnahmslos in der Küche, seine drei Kinder - Marisa, Jake und Tommy - leisteten ihm und Smith bei einem späten Abendessen Gesellschaft. Niemand aß etwas. Marisa erinnerte Smith immer an ein kleines Kind, auch wenn sie schon über fünfzig war. Sie hielt sich ganz gut für jemanden mit einer psychischen Störung; sie führte einen eigenen Haushalt - wenn auch in direkter Nachbarschaft zu Carlo -, und sie war ihrer Tochter Patricia eine gute Mutter gewesen. Trotzdem, Carlo hatte ihr immer wieder unter die Arme greifen müssen, finanziell, emotional, in jeder Hinsicht, und jetzt war sie völlig von ihm abhängig. Aber Carlo konnte nicht für alles sorgen. Dieses Problem ließ sich nicht mit Geld oder Einfluss regeln. Marisas Tochter, Carlos Enkelkind, war krank. Marisa verbrachte die gesamte Besuchszeit im Krankenhaus, ebenso wie Carlo, und beide mussten hilflos mit ansehen, wie sich Patricias Zustand von Tag zu Tag verschlechterte.
Carlo sah furchtbar aus. Smith hatte Carlo beigestanden, als dessen Frau gestorben war, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was er jetzt mit seiner Tochter und Enkeltochter durchmachte. Carlo war sein Leben lang ein Kämpfer gewesen, seit er damals in der Northwest Side als weißer Junge eine mehrheitlich schwarze Grundschule besucht hatte, über das kurze Gastspiel bei der Capparelli-Familie, bis zu dem Punkt, da er im Baugewerbe ganz unten angefangen hatte, als einfacher Arbeiter und später als Polier, um schließlich seine eigene Baufirma, Butcher Construction, zu gründen und daraus ein Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen zu machen.
Er war nie den geraden Weg gegangen, hatte Bestechungsgelder
gezahlt und Nebendeals arrangiert, um bei Aufträgen den
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