Der Mann im Schatten - Thriller
Vorzug zu erhalten, hatte Parteispenden und Schwarzgelder hingeblättert, trotzdem hatte ihn, so fand Smith, seine Familie immer auf gesunde Art geerdet. Er war ein Mann von beträchtlichem Reichtum, Mitte siebzig, und dennoch hatte er nie das eher bescheidene Haus verlassen, in dem er mit seiner Frau gelebt hatte. Er fuhr einen einfachen Wagen, trug schlichte Kleidung, nahm sich kaum je eine Auszeit und fuhr nicht in den Urlaub, außer wenn er Zeit mit seiner Tochter und seiner Enkelin verbringen wollte. Er arbeitete hart, um für die Zeit vorzusorgen, wenn er einmal nicht mehr für Marisa und Patricia da sein konnte, bunkerte Millionen in langfristigen Geldanlagen und investierte in großem Maßstab in Lebensversicherungen.
Tommy erhob sich als Erster vom Tisch und ließ sein Hühnchen und den Reis fast unberührt stehen. Er schlurfte den Flur hinunter zu Carlos Büro, wo er und Smith seinem Vater von den Entwicklungen des heutigen Tages berichten sollten. Carlo würde es nicht gut aufnehmen. Er war immer sehr streng zu Tommy gewesen, dem Ältesten seiner drei Kinder, und Tommy hatte die Erwartungen seines Vaters nicht immer erfüllt. Zweimal war er mit dem Gesetz in Konflikt geraten, und Carlo hatte ihn dafür mit Verachtung gestraft, nicht so sehr wegen des kriminellen Charakters dieser Aktionen, sondern weil Tommy sich dabei so dämlich angestellt hatte.
Aber das heute, das war eine regelrechte Katastrophe. Es war Tommys Job gewesen, den Tatort zu besuchen, sich in der Nachbarschaft umzusehen und den Downey’s Pub als Drehund Angelpunkt ihrer Story ausfindig zu machen. Tommy konnte natürlich schlecht wissen, dass man dem Downey’s
ausgerechnet im September 2006 die Schanklizenz entzogen hatte, das musste man ihm fairerweise zugestehen. Aber diese Details würden Carlo in seinem besorgten, ja panischen Zustand nicht interessieren. Tommy würde den geballten Zorn seines Vaters über sich ergehen lassen müssen.
»Jake, bleib bei deiner Schwester«, befahl Carlo. Jake war in vieler Hinsicht ein Außenseiter. Er war nicht mit ins Familiengeschäft eingestiegen. Stattdessen war er recht erfolgreich im Immobiliensektor tätig, arbeitete zwar gelegentlich mit der Baufirma der Familie zusammen, ging aber die meiste Zeit seine eigenen Wege. Er hatte sich nie die Hände schmutzig gemacht mit den rustikalen Praktiken des Baugewerbes, in dem man immer wieder um öffentliche Aufträge kämpfen musste, und er war auch nicht in das aktuelle Familienprojekt verwickelt, einmal abgesehen davon, dass er Tommys Aussage gestützt hatte.
Smith folgte Carlo mit vorsichtigen Schritten in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Tommy wartete bereits in einem Sessel auf sie, hatte die Beine übereinandergeschlagen und wippte nervös mit dem Fuß. Wie üblich kam Smith gleich zur Sache und überbrachte Carlo die schlechte Nachricht. Carlo wollte Hiobsbotschaften immer so mitgeteilt bekommen, wie man einen alten Verband entfernte: mit einem Ruck und so rasch wie möglich.
»Unfassbar«, sagte Carlo und schüttelte langsam den Kopf. Seine ruhige, gefasste Reaktion wirkte beunruhigender als einer seiner berühmt-berüchtigten Tobsuchtsanfälle. »Taugt der Anwalt was?«
Eine Frage, die er schon einmal gestellt hatte, aber er hatte natürlich Anspruch auf eine tröstliche Wiederholung der Antwort. »Allem Anschein nach ja«, erwiderte Smith.
»Der Kerl wirkt auf mich, als wüsste er, was er tut«, fügte Tommy leise hinzu, immer noch sehr zurückhaltend wegen dem Riesenbockmist, den er gebaut hatte.
»Und ihm ist klar, dass sein Bruder stirbt, wenn er nicht spurt?«
»Ja«, bestätigte Smith.
Carlo breitete die Hände aus. Sie zitterten leicht, was als ein Symptom fortgeschrittenen Alters hätte durchgehen können, doch Smith war da anderer Auffassung. »Ich... ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß es einfach nicht.«
Etwas Derartiges hatte Smith noch nie aus Carlos Mund gehört. Carlo hatte vielleicht nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen, aber mangelnde Entschlusskraft war nie sein Problem gewesen.
was ist mit Jimmy DePrizios Jungen?«, wollte Carlo wissen.
»Denny?«
»Richtig. Hat Denny irgendwelche cleveren Ideen?«
»In der letzten Zeit nicht.« Smith zuckte mit den Achseln. »Ich werde mich nochmal erkundigen. Er hat den Auftrag, Kolarich im Auge zu behalten.«
Carlo nickte und dachte konzentriert nach. »Was, wenn wir seinen Bruder töten?«, schlug er vor. »Und dem Anwalt sagen, er ist
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