Der Mann im Schatten - Thriller
hast, er heult wie ’n kleines Mädchen. Und nur damit das klar ist, Kolarich, dein Bruder ist der Nächste auf meiner Liste. Ich werde es richtig genießen.«
Bilder zuckten durch meinen Kopf: Pete im Alter von dreizehn, wie er mir beim Footballtraining zusah. Ich erinnerte mich an den Ausdruck in seinen Augen, seine Bewunderung, und ich fragte mich, ob ich ihm je wirklich gesagt hatte, wie viel mir das bedeutet hatte. Dann meine erste Begegnung mit Talia, wie mein Herz hüpfte, als ihr Blick zufällig meinem begegnete, ihr hintergründiges Lächeln, das mir so viel über sie verriet und das Verlangen in mir weckte, sie zu lieben. Und mein kleiner Engel, meine wunderschöne Emily, ihre kleinen Händchen, die sich öffneten und schlossen, ihr noch ungerichteter, tanzender Blick, der mich mit unbeschreiblicher Liebe füllte.
Ich schloss die Augen, als ich das Klicken des Abzugs hörte.
Dann öffnete ich sie wieder.
»Scheiße!«
Mit einer blitzschnellen Bewegung packte ich das Handgelenk meines Angreifers und drückte den Revolverlauf nach oben. Er lockerte einen Moment den Würgegriff um meinen Hals, worauf ich blitzschnell den Vorteil nutzte, den mir der Vordersitz bot. Ich griff mit beiden Händen nach der Waffe und riss sie nach vorn, so dass mein Angreifer gezwungen war, seinen Arm über die Rückenlehne zu strecken.
Er war deutlich in der schlechteren Position, wollte aber
trotzdem nicht loslassen. Ich hielt die Waffe und sein Handgelenk weiter fest mit beiden Händen umklammert, dann warf mich mit meinem ganzen Gewicht auf den Beifahrersitz und zerrte dabei seinen Arm mit herunter. Schwer zu sagen, was genau ich damit bei ihm angerichtet hatte - die Geräusche von splitternden Knochen und reißenden Sehnen deuteten jedenfalls daraufhin, dass ich seinen Arm mehrfach gebrochen und ihm das Schlüsselbein ausgerenkt hatte. Auch die erstickten Schreie des Mannes bestätigten, dass sein Arm sich nicht mehr in der Position befand, den die Natur dafür vorgesehen hatte.
Ich war jetzt im Besitz einer Waffe, die aber Ladehemmungen hatte und jederzeit unverhofft losgehen konnte, also legte ich sie in den Fußraum meines Wagens. Dann wandte ich mich meinem Angreifer zu, dessen Kopf hilflos zwischen den Wagensitzen pendelte. »Du heulst auch wie ein kleines Mädchen«, sagte ich. Dann verpasste ich ihm ein paar auf Nase - ein oder zwei, womöglich waren es aber auch acht oder zehn -, bis seine Augen fest geschlossen waren. Dann stieg ich aus, ging zur Beifahrerseite und zerrte seinen leblosen Körper aus meinem Wagen.
Ich behielt sein Handy, seine Brieftasche und seine Schlüssel als Souvenirs. Und um es ihm noch ein bisschen schwerer zu machen, zog ich ihm die Schuhe aus und schleuderte sie in der Nähe der Auffahrtsrampe aus dem Parkhaus. Zu gerne wäre ich noch ein wenig geblieben, um ihm zuzusetzen, aber das war jetzt nicht mehr nötig. Ich wusste auch so bereits, wohin mein nächster Gang mich führte.
Ich ließ meinen Wagen an, stieß rückwärts aus der Parklücke, fuhr die Rampe hinunter und verließ das Parkhaus. Nachdem ich mich in den Verkehr eingefädelt hatte, blickte
ich auf die ladegehemmte Waffe und schickte anschließend einen Blick hinauf in den Himmel.
Ich parkte in der Tiefgarage des St. Agnes Hospital und lief dann hoch zum Vordereingang des Gebäudes. Mehrere Raucher lungerten vor der Pforte herum, einige davon in OP-Kitteln und weißen Uniformen, andere waren offensichtlich nur zu Besuch hier. Ich hielt den Atem an, als ich an ihnen vorbeimarschierte, erreichte aber ungehindert die Rezeption. Den Schwestern dort gab ich mein Autogramm und erkundigte mich nach dem Weg. Während ich noch dabei war, mir das Besucherschild ans Jackett zu heften, und mich dabei den Aufzügen näherte, klingelte mein Handy. Eine Sekunde später wurde mir klar, dass es sich gar nicht um mein Handy handelte. Es war das des Kerls, der mir in meinem Wagen aufgelauert hatte.
Ich blieb stehen, warf einen Blick auf das Display, das keine Nummer anzeigte, und klappte das Ding auf. Da ich mich nicht in der Lage fühlte, die Stimme meines Angreifers zu imitieren, versuchte ich es mit einem Flüstern. »Ja?«, raunte ich knapp, um eine Unterscheidung noch schwieriger zu machen.
»Ist es erledigt?«, wollte Smith wissen.
Ich dachte einen Moment nach, dann flüsterte ich: »Ruf in zwei Minuten zurück.« Dann sprang ich in den Aufzug und drückte auf den Knopf für den sechsten Stock.
In der sechsten Etage stieg
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