Der Mann im Schatten - Thriller
Vorbeirennen gebrüllt: Ich habe gerade Griffin Perlini getötet.
Er hatte um ein Treffen in einem Cafe an der Ecke 87th und Pershing gebeten, weil er dort in der Nähe arbeitete. Tommy Butcher war der Geschäftsführer von Butcher Construction Company, einer Baufirma in Familienbesitz, die mehrere Büros in der Stadt unterhielt und eines in einem Ort namens Maryville, bekannt vor allem für die dort ansässige Strafanstalt Marymount. Butcher Construction hatte einige Anbauten am Gefängnis errichtet und ein paar weitere Gebäude in
der Gegend, aber die meisten Bauaufträge kamen von städtischen Behörden hier in der City. Vorurteil hin oder her, bei fetten kommunalen Aufträgen denkt man sofort an Beziehungen. Und man denkt an Korruption.
Butcher wirkte wie jemand, der sein Leben lang in der Branche gearbeitet hatte. Ein massiger Kerl mit Halbglatze, rauer, sonnenverbrannter Haut und einer fleischigen Hand, in der meine fast verschwand, als ich sie ihm reichte. Er taxierte mich gründlich und schien nicht allzu enttäuscht, obwohl ich natürlich keine Ahnung hatte, welche Kriterien er dabei anlegte. Seit ich meine Erfahrungen mit Bauunternehmern gemacht hatte, als Talia und ich unser Haus hatten renovieren lassen, hielt ich diese Kerle für etwa so integer wie Politiker und Autoverkäufer.
»Wir ziehen grade ein neues Verwaltungsgebäude drüben in Deemer Park hoch«, erklärte er mir, während wir auf unseren Kaffee warteten. »Die Stadt scheißt sich ins Hemd, weil wir laut Plan zwei Wochen hinterher sind.«
Womit er mir offensichtlich zu verstehen geben wollte, dass er wenig Zeit für mich hatte; also kam ich gleich zum Thema und fragte ihn, was an jenem Abend passiert war.
»Ich sitze also im Downey’s«, begann er, »und genehmige mir ein paar Drinks. Dann, so gegen zehn, verlass ich den Laden. Ich gehe nach Osten, schätz ich mal, ja genau, Richtung Osten auf der Liberty, und dabei komm ich an diesem Apartmenthaus vorbei. Zur Eingangstür führen so ein paar Stufen hoch, hat kein Aufzug, das Ding. Sieht wie ’ne runtergekommene Asozialenbude aus, typisch für die Gegend, richtig?«
»Richtig.«
»Richtig. Jedenfalls kommt plötzlich dieser Schwarze aus der Tür geschossen. Hat ’nen ziemlichen Zahn drauf, der Kerl.
Fliegt quasi die Stufen runter, und vorn in seiner Hose steckt ’ne Kanone. Ich hab keine Lust, in irgendwas verwickelt zu werden. Also lass ich den schwarzen Bruder vorbeirennen und mach keine Anstalten, ihm in den Weg zu treten. Der Typ rauscht an mir vorbei, und das war’s auch schon.«
Ich nickte und kritzelte etwas auf meinen Notizblock.
»Okay, ich hatte nicht den Eindruck, dass der Kerl weggerannt ist, weil er irgendjemand was Gutes getan hat. Aber was sollte ich groß unternehmen? Also hab ich die Klappe gehalten. Hätte ich vielleicht die Cops anrufen sollen, um ihnen zu sagen, ich hab da einen Kerl vorbeispurten sehen?«
»Es bestand kein Grund, die Polizei anzurufen«, bestätigte ich.
Der Kaffee kam, und er füllte seine Tasse bis zum Rand mit Sahne auf. »Kein Grund für einen Anruf bei der Polizei. Richtig? Oder lieg ich da falsch?«
Diese Frage hatte ich bereits beantwortet. Es war keine Straftat, aus einem Gebäude zu rennen, und Butcher hatte schließlich keine Ahnung gehabt, dass jemand erschossen worden war.
»Jedenfalls, irgendwann les ich dann was über diesen Typen, der in dem Gebäude abgeknallt wurde. Und prompt fällt mir die Sache wieder ein, ich gerate ins Grübeln und hol meinen Kalender raus. Ich bin mir verdammt sicher, dass ich in der Nacht im Downey’s gewesen bin, ruf aber lieber nochmal meinen Bruder Jake an. Und als wir gemeinsam drüber nachdenken, sind wir hundertpro sicher. Es war Donnerstag, der 21. September. Und dann kommt es mir, Mann, das solltest du unbedingt melden.«
Die Geschichte klang plausibel. Noch besser wäre sie gewesen, könnte ich außerdem noch mit einem schwarzen Verdächtigen
aufwarten, den Butcher eindeutig identifizierte. Aber was nicht war, konnte ja noch werden.
»Kann irgendjemand bestätigen, dass Sie in dieser Nacht im Downey’s waren?«, fragte ich. »Sie haben Ihren Bruder erwähnt.«
»Klar, Jake, mein Bruder. Er kann das bestätigen.«
»Wer noch?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur ich und Jake.«
Ich bat ihn um die Adresse und die Telefonnummer seines Bruders. Er gab mir die Handynummer.
»Haben Sie mit Kreditkarte gezahlt?«, erkundigte ich mich.
»Glaub nicht. Warum? Will vielleicht irgendjemand
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