Der Mann im Schatten - Thriller
anzweifeln, dass ich dort war?« Er schien wenig erfreut über diese Aussicht. Vermutlich war Tommy Butcher an seinen Status als Boss gewöhnt und schätzte keinen Widerspruch.
»Ich ganz sicher nicht. Ich bin auf Ihrer Seite.« Ich hielt es für wichtig, Letzteres klarzustellen. Es sollte sich für ihn anfühlen wie wir beide gegen den Rest der Welt. Ich wollte ihn lediglich in seinem Entschluss bestärken und ihn auf kritische Fragen vorbereiten, die sicher kommen würden.
»Erinnern Sie sich noch, was dieser Schwarze getragen hat?«, wollte ich wissen.
»Ich kann mich hauptsächlich an die Waffe erinnern.« Das war verständlich. Die meisten Zeugen, die eine Waffe gesehen haben, erinnern sich an kaum etwas anderes. Verständlicherweise sind sie im betreffenden Moment vor allem damit beschäftigt, ob sich diese Waffe in naher Zukunft vielleicht auf sie richten wird.
»Der Kerl, der beim Verlassen von Griffin Perlinis Apartment beobachtet wurde, hat eine braune Bomberjacke und eine grüne Wollmütze getragen«, bemerkte ich. Dabei handelte
es sich um eine rein sachliche Feststellung und nicht etwa um den höchst anrüchigen Versuch, einen Zeugen zu präparieren.
Er ließ sich das eine Minute durch den Kopf gehen. »Könnte gut sein«, brummte er schließlich. »Durchaus möglich.« Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Dann nickte er mir zu. »Hat Ihr Mandant ’ne Chance, den Fall zu gewinnen?«
Ich zuckte mit den Achseln.
»Ich hab in der Zeitung gelesen«, fuhr Butcher fort, »diese Schwuchtel, die umgelegt wurde, Perlini oder so ähnlich, hat die Schwester Ihres Mandanten auf dem Gewissen. Ich schätze, damit hatte er ’nen ziemlich guten Grund für so ’ne Tat.«
»Wenn er es überhaupt war«, antwortete ich.
Er schnaubte und lächelt schwach, als hätte ich gerade einen Witz gemacht. Vermutlich wollte er damit andeuten, die Jury würde niemals einen Kerl verurteilen, der den Mord an seiner Schwester gerächt hatte. Offensichtlich ging er davon aus, dass ich bei dem Prozess gute Karten hatte. Mir war jedoch wichtig, dass er vom Gegenteil überzeugt war. Er musste begreifen, wie entscheidend seine Rolle bei diesem Prozess war.
»Das Problem besteht darin, dass Perlini niemals für den Mord an der Schwester meines Klienten verurteilt wurde. Die Ermittlungsergebnisse reichten nicht aus für eine Anklage. Er kam ungeschoren davon. Daher kann ich ihn vor der Jury nicht als Mörder hinstellen. Ich darf nicht sagen, dass Sammy es für seine Schwester getan hat - weil es keine Beweise für Perlinis Schuld gibt.«
Meine Erklärungen schienen Tommy Butcher Sorgen zu bereiten, was genau meine Absicht war. »Wir alle wissen, dass Perlini für ihren Tod verantwortlich ist«, fügte ich hinzu. »Nur können wir es leider nicht beweisen. Zumindest noch nicht.«
Butcher wiederholte meine Worte. »Noch nicht.«
»Genau. Ich arbeite daran. Aber ich hab es hier mit einem fast dreißig Jahre alten Fall zu tun. Und ich bin kein Cop. Mir stehen weder Heerscharen von Ermittlern zur Verfügung noch die technischen Möglichkeiten der Polizei. Ich klemme mich dahinter, aber es wird hart. Und mir bleibt nicht viel Zeit. Also sind Sie im Moment das Beste, was ich habe, Tom.«
Butcher spitzte die Lippen und dachte einen Moment nach. »Sie versuchen ernsthaft, diesen uralten Fall zu lösen?«
Üblicherweise weihe ich Zeugen nicht in meine Strategie ein. Aber er schien echten Anteil an Sammys Schicksal zu nehmen, und das stiftete eine Art Verbindung zwischen uns. Ich wollte nicht abweisend wirken und damit die vertrauliche Atmosphäre zerstören.
»Ich probiere es zumindest. Das ist meine einzige Chance, Tom. Klar, es ist toll, dass Sie diesen Schwarzen gesehen haben. Aber Sie können nicht mal sagen, was er getragen hat. Was bleibt mir also anderes übrig? Ich muss auf eigene Faust rausfinden, was damals passiert ist, und darauf vertrauen, dass ich irgendwas Relevantes zu Tage fördere.« Ich schüttelte den Kopf. »Denn wenn mir das nicht gelingt, steht Ihre Aussage gegen die von zehn anderen Zeugen.«
Es waren nicht wirklich zehn. Ich hatte etwas dick aufgetragen. Aber obwohl ich ihm ein bisschen was vorflunkerte, entsprach es doch im Kern der Wahrheit.
»Hören Sie.« Er fuhr mit der Handkante über den Tisch. »Was wir hier reden, fällt doch unters Anwaltsgeheimnis, richtig?«
Nicht richtig. Meine Schweigepflicht erstreckte sich nicht auf diesen Kerl hier. Aber ich wollte hören, was er zu sagen hatte, also
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