Der Mann im Schatten - Thriller
sehe, wie du das alles wegwirfst.«
Ich winkte ab, aber wir wussten beide, dass er Recht hatte. Ich verlangte Informationen über Personen, die in Petes Fall involviert waren, und vermied damit den offiziellen, juristischen Weg. Ich wollte absolute Freiheit im Umgang mit diesen Kerlen. Ich wollte mich bei meinem weiteren Vorgehen nicht von Gesetzen einschränken lassen. Ich benötigte Joel Lightners verdeckte Hilfe, aber ich durfte ihm nicht zu viel darüber verraten, was ich vorhatte.
»Besitzt du eine Waffe, Jason?«
Ich lachte. »Glaubst du, ich werde eine brauchen?«
Er antwortete nicht. Vielleicht fragte er, weil er daran zweifelte, ob ich in Lage war, mich selbst zu verteidigen, wenn es haarig wurde; aber ich vermutete noch einen anderen Grund dahinter, und sein Stirnrunzeln bestätigte diesen Verdacht. Es war eine ernstzunehmende Frage, die eine ernstzunehmende Antwort verdiente. Doch er würde keine bekommen.
Die Antwort war, ja, ich besaß eine Waffe. Und nein, ich hatte sie nie benutzt. Aber, ja, ich wusste, wie man damit umging. In meiner Zeit als Staatsanwalt hatte ich mit einigen Kollegen mehrfach ein Schießtraining absolviert.
Und, ja, ich war bereit, sie zu benutzen, aber das würde ich ihm nicht auf die Nase binden.
25
Ich schaltete meinen Computer ein und schrieb den Antrag fertig, den ich in Sammys Fall einreichen wollte. Darin verlangte ich einen beschleunigten DNA-Test der vier Leichen, die man hinter der Hardigan-Grundschule gefunden hatte. Als Alternative zu einem Eiltest forderte ich einen Aufschub des Prozesses bis zum Abschluss der Standard-DNA-Untersuchungen. Ein solcher Aufschub konnte sich, wie jeder ehemalige Staatsanwalt wusste, von sechs Monaten bis zu einem Jahr hinziehen. Damit handelte ich entgegen Smiths ausdrücklichem Wunsch, der Prozess solle zum geplanten Termin stattfinden.
Anschließend nahm ich mir die Liste der bekannten Opfer Griffin Perlinis vor, besonders die beiden Fälle, für die er eingesessen hatte. Ich machte ein paar Anrufe, um Treffen zu vereinbaren. Auch damit widersetzte ich mich eindeutig Smiths Instruktionen.
Aber ich hatte nicht vor, Zeit damit zu vergeuden, vorsichtig auszutesten, wo meine Grenzen lagen.
Ich bemerkte, dass Shauna in ihrem Büro arbeitete, was an einem Sonntagnachmittag keineswegs unüblich war. Als Solo-Anwältin musste sie sich nebenher auch um den ganzen Verwaltungskram und das Finanzielle kümmern. Daher kam sie oft an Wochenenden ins Büro, um Rechnungen oder Steuererklärungen fertig zu machen und anderen nicht-juristischen Papierkram zu erledigen. Ich spazierte den Flur hinunter zu ihrem Büro und steckte den Kopf durch die Tür. Sie telefonierte gerade, also wartete ich, während Shauna einem Klienten in sehr bestimmtem Tonfall versicherte, sie werde den
»Idioten« von der Gegenseite ordentlich einheizen. Klienten mögen es, wenn man ihre Prozessgegner mit despektierlichen Ausdrücken belegt. Damit zeigt der Anwalt sein Engagement in ihrem Fall.
Nachdem sie den Anruf beendet hatte, schloss ich die Tür hinter mir.
»Ich brauche deine Hilfe, Shauna«, sagte ich.
Den Abend verbrachte ich zu Hause mit Pete. Wir ließen uns Pizzas kommen und tranken billiges Bier dazu. Pete trug eins meiner Sweatshirts, das ihm viel zu groß war, und wirkte mitgenommen. Seine müden, rotgeränderten Augen starrten immer wieder ins Leere. Vielleicht dachte er zurück an die Stunden in der Zelle, oder er malte sich eine Zukunft hinter Gittern aus.
Mir war unklar, wie weit ich ihn einweihen sollte. Er hatte mir erklärt, er sei hereingelegt worden, und inzwischen war ich im Besitz von Informationen, die das zu bestätigen schienen. War es wirklich sinnvoll, ihn auf den neusten Stand zu bringen? Andererseits hatte er natürlich ein Recht darauf, diese Dinge zu erfahren.
Wir aßen schweigend, nach der langen Nacht in der Gefängniszelle genoss Pete den Komfort meines Hauses. Offensichtlich setzte er großes Vertrauen in mich. Er ging davon aus, ich sei zu seiner Rettung erschienen, für ihn war ich der große Bruder mit den fast magischen Fähigkeiten; noch hatte er keinen Schimmer, dass ich der eigentliche Grund für seine Probleme war.
Ich hatte mich nie wohlgefühlt in dieser Rolle - als Held, als tolle Berühmtheit. Dabei war ich mir immer wie ein Hochstapler vorgekommen. Menschen messen dir aufgrund deiner
sportlichen Leistungen einen bestimmten Status zu. Auf der Highschool reißen sich eine Menge Mädchen um die Athleten, und auf
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