Der Mann im Schatten - Thriller
ausschließen, dass er mein Büro abhörte.
Ein paar Minuten später schlenderte Joel Lightner in den Konferenzraum. Joel war ein privater Ermittler, den wir im Almundo-Fall eingesetzt hatten. Es gab keinen besseren.
Lightner warf sein Jackett über einen Stuhl und nahm Platz. Er hatte früher als Cop gearbeitet, und er war der Mann, der gemeinsam mit Paul Riley die Terry-Burgos-Morde in der Southwest Side aufgeklärt hatte. Gelegentlich schoss er noch einen dieser Seitenblicke ab, die bei Detectives üblich sind, aber insgesamt hatten sich durch die langen Jahre im privaten Sektor seine Manieren deutlich verbessert. Er trug ein kariertes Button-down-Hemd und Jeans, das zwangloseste Outfit, das ich je an ihm gesehen hatte. Aber schließlich war es auch ein Sonntagnachmittag.
»Na, wie läuft’s denn so, Kumpel?« Joel und ich waren nie enge Freunde gewesen, zum ersten Mal waren wir uns begegnet, als ich in das Team der Almundo-Verteidigung berufen wurde. Aber in der Hitze eines großen Prozesses verbringt man eine Menge Zeit zusammen, und Joel war jemand, der einen ganzen Raum mit seinen Geschichten unterhalten konnte. Während der vielen langen Nächte, in denen wir uns auf den nächsten Prozesstag vorbereiteten, hatte er uns immer wieder zum Lachen gebracht.
Er war auch zu Talias und Emilys Beerdigung erschienen und hatte mich sogar in den folgenden Monaten einmal angerufen, um mich zum Lunch einzuladen. Aber der Termin kam nie zustande, und wir hatten uns seither nicht mehr gesprochen.
»Riley hat mir erzählst, du machst einen neuen Anlauf mit einem eigenen Laden. Er hat dich nicht gern ziehen lassen. Und es bestand auch kein echter Grund dazu. Ich meine, nach der Almundo- Sache? Du warst ein Rockstar in dieser Firma.«
Ich zuckte mit den Achseln. »Ich schätze, ich hab einfach einen Tapetenwechsel gebraucht.« Es gab Zeiten, in denen ich meine Entscheidung, Shaker und Riley zu verlassen, bereut hatte. Ich hatte nicht einmal mehr an der Urteilsverkündung teilgenommen, und ohne Zweifel hatte Riley im Büro den ganzen Applaus allein geerntet. Wie oft entgeht schon ein Politiker einer Korruptionsklage des FBI? Aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, je wieder in diesen Räumlichkeiten zu arbeiten. Sie hätten mich nur ständig an meine alten Versäumnisse und Fehler erinnert.
Ich marschierte im Konferenzraum auf und ab, auf der Suche nach einem geeigneten Einstieg in die Geschichte, die ich zu erzählen hatte.
»Versuch’s einfach mit dem Anfang«, schlug Lightner vor.
»Okay.« Ich stieß einen langen, nervösen Atemzug aus. »Du wirst mir das niemals glauben...«
»Es ist etwa fünf Jahre her«, unterbrach er mich. »Wir sind dabei, einen Ehemann zu beschatten, der fremdgeht. Einer von meinen Jungs arbeitet an der Sache, ist aber krank, also springe ich für ihn ein. Ich beobachte den Typen mit seiner Geliebten. Sie stehen in der Küche seiner Ehefrau. Ich hab das Teleobjektiv drauf und mache einen Haufen Schnappschüsse. Dann sackt der Kerl plötzlich zusammen, verschwindet aus dem Kamerawinkel. Ich denke, okay, jetzt kommt irgendwas Perverses, er lutscht ihr die Zehen oder so was, weil sie einfach nur dasteht und ihm irgendwas zuruft.« Er schüttelte den
Kopf. »Er hat ihr aber nicht die Zehen gelutscht. Er hat Hundefutter aus einer Schüssel gefressen.«
Ich atmete erneut tief durch. »Es gibt Leute - ein Kerl namens Smith, das ist aber nicht sein richtiger Name -, die sind sehr interessiert am Ausgang eines Mordprozesses, in dem ich als Anwalt fungiere. Sie sind so interessiert daran, dass sie deswegen meinem Bruder eine Klage wegen Waffen- und Drogenhandel angehängt haben, um mich damit zu erpressen. Sie sagen, wenn ich nicht nach ihrer Pfeife tanze, ist mein Bruder dran. Wenn ich hingegen pariere, finden sie einen Weg, ihn zu entlasten.«
Lightner, der begonnen hatte, sich Notizen zu machen, verharrte regungslos. »Okay, das schlägt die beste Hundefutter-Story.«
Ich breitete die ganze Geschichte aus: Audrey Cutlers Entführung durch Griffin Perlini, Sammys Verhaftung, mein Besuch bei Mrs Perlini und die anschließende Entdeckung der Leichen, meine Unterhaltung mit meiner alten Nachbarin Mrs Thomas, sämtliche Fakten, die mir über Smith bekannt waren, bis hin zu Petes Verhaftung.
Joel war ein guter Zuhörer. Das war sein Job. Er unterbrach mich nicht, kritzelte nur hier und da eine Notiz auf seinen Block, irgendwelche Fragen oder Einwände. Gut zuhören und Informationen sammeln,
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