Der Mann im Schatten - Thriller
Hälfte seiner Kundschaft gleich in der Firma. Jedenfalls, seine Adresse ist 4554 West Elvira. Er ist Single, hat aber ein Kind, das
bei seiner Mutter lebt. Die Firma, für die er arbeitet, heißt McHenry Stern, in der Innenstadt. Im Hartz Building.«
»Alles klar.« Ich fuhr fort, mir Notizen zu machen. »Klasse, Joel. Du bist ein Schatz.«
»Soll ich ihn überwachen? Ihn mir mal vorknöpfen?«
»Drüber muss ich noch nachdenken.«
»Weißt du was? Du machst mich nervös, Junge.«
»Hast du schon irgendwas über diesen Mace?«
Joel brachte sein Missfallen mit einem längeren Schweigen zum Ausdruck. Verdammt, er lebte davon, Leuten hinterherzuschnüffeln. Woher nahm er das Recht, mir immer gleich böse Absichten zu unterstellen?
»Bisher nicht«, antwortete er schließlich. »Ein Spitzname hilft einfach nicht viel weiter. Und die Cops setzen normalerweise keine Annoncen für ihre Spitzel in die Zeitung.«
Womit er sicher Recht hatte. Aber es war ohnehin John Dixon, den ich wollte.
26
Das Reynard-Hochsicherheitsgefängnis lag inmitten einer ländlichen Gegend, gut achtzig Kilometer nordwestlich der Stadt. Ich brauchte über eine Stunde bis dorthin und traf kurz nach halb eins ein. Soweit ich mich erinnerte, begann die Besuchszeit um zwei, allerdings hatte ich als Ankläger damals Zugang zu den Inhaftierten gehabt, wann immer ich wollte. Als stellvertretender Bezirksstaatsanwalt hatte ich gelegentlich
einen Abstecher dorthin gemacht, meistens um Zeugen mit einer ausgewogenen Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche gefügig zu machen.
Das Gebäude war eine Ziegelstein-Festung, umgeben von mehreren Hektar freiem Land, gespickt mit den üblichen Stacheldrahtzäunen und Bewegungssensoren. Auf meinem Weg ins Innere der Festung hielt man mich nicht weniger als dreimal an und verglich meinen Ausweis mit der Besucherliste. Arrelius Jackson hatte mich als Besucher der Kategorie A einstufen lassen. Das bedeutete einen Anwalt-Klienten-Besuch, wodurch wir Anspruch auf einen Gesprächsraum hatten, in dem wir uns angeblich vertraulich beraten konnten. Ich sage bewusst »angeblich«, weil die Strafvollzugsbehörden dafür bekannt sind, dass sie dieses Privileg gelegentlich ignorieren und Gespräche zwischen Anwalt und Klient belauschen. Vor fünf Jahren hatte es in einem der Staatsgefängnisse deswegen einen Skandal gegeben, der zu einigen Rücktritten und den üblichen halbherzigen Reformen geführt hatte.
Im Grunde war es mir egal. Ich hatte auch nicht den Eindruck, als wäre Arrelius Jackson auf der Suche nach einem Anwalt. Noch in meinem Büro hatte ich ein bisschen über ihn recherchiert. Dreiundvierzig Jahre, Afroamerikaner, unverheiratet, Vorstrafenregister ab einem Alter von siebzehn. Mr Jackson saß lebenslänglich wegen dreifachen Mordes, begangen vor etwa zehn Jahren in der Stadt. Seine Chancen auf Revision waren gleich null.
Ich wurde durchsucht, abgetastet, durchleuchtet, geschubst und gestoßen. Ich gab mehrfach mein Autogramm und durchquerte zwei Metalltore, bevor man mich schließlich in einen kleinen Raum mit grün gestrichenen Betonwänden eskortierte, wo ich es mir an einem Metalltisch so bequem wie
möglich machte. Die einzige Tür des Raumes öffnete sich mit einem hydraulischen Zischen, und herein trat der Mann der Stunde, niemand anderer als Mr Arrelius Jackson persönlich, in einem orangefarbenen Overall, flankiert von zwei Musterexemplaren von Wächtern.
Inhaftierte verwenden häufig den Ausdruck eiskalt, wenn sie über die bösartigsten und bedrohlichsten unter den Mitgefangenen sprechen. Normalerweise ist dieser Begriff für Sexualmörder und Auftragskiller reserviert. Ich hatte keine Ahnung, ob Jackson in eine der beiden Kategorien fiel, aber mich beschlich das Gefühl, schlüge ich diesen Begriff im Lexikon nach, wäre die entsprechende Erklärung ganz sicher illustriert mit dem Bild des Mannes, der mir jetzt gegenüberstand.
Über Jacksons Stirn zogen sich mehrere Narben, die in eng an den Schädel geflochtene Zöpfe übergingen. Schütteres Barthaar spross auf seiner Kinnlinie. Seine Augen waren schmal und kalt, und sie fixierten mich unablässig von dem Moment an, da er den Raum betrat.
Der unbewaffnete der beiden Wächter kettete Jacksons Handschellen an den Tisch, während derjenige mit der Waffe aus sicherer Entfernung zusah. Diese Variante der Prozedur war vor einigen Jahrzehnten eingeführt worden, nachdem es einem gefesselten Gefangenen gelungen war, dem Wärter dabei die Waffe aus
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