Der Mann im Schatten - Thriller
dem Halfter zu reißen. Die beiden Wärter ließen uns allein und schlossen die dicke Metalltür hinter sich. Mit Hilfe einer Kamera, die in der Ecke des Raums angebracht war, konnten sie uns beobachten, aber nicht hören - angeblich.
Während des gesamten Vorgangs hatte Jackson nicht ein Mal den Blick von mir gewandt und keinerlei Gefühlsregung
gezeigt. Er hatte Menschen vergewaltigt und getötet. Er hatte keine Hoffnung auf Entlassung. Er würde den Rest seines Lebens in diesem darwinistischen Höllenloch schmoren, wo die einzige Hoffnung darin bestand, noch gemeiner und härter zu sein als die anderen.
Arrelius Jackson hasste mich. Er hasste jeden, der in irgendeiner Weise mit dem Rechtssystem in Verbindung stand - Menschen, die es seiner Meinung nach nur darauf abgesehen hatten, ihn in einen Käfig zu sperren. Unzweifelhaft hasste er auch seinen eigenen Anwalt als Teil des Systems, der in seinen Augen vermutlich ebenso korrupt war und mit der Anklage unter einer Decke steckte. Gäbe man ihm die Chance, würde er sicher ohne Zögern quer über den Tisch hechten, auf mich einschlagen, mir jeden einzelnen Zahn aus dem Mund prügeln, meinen Kopf als Punchingball missbrauchen und zum krönenden Abschluss auf meine Leiche pissen.
Normalerweise tun Menschen so was erst, nachdem sie mich näher kennengelernt haben.
Ich lehnte mich in meinem unbequemen Stuhl zurück und starrte ihn ebenfalls an. Ich hatte nicht vor, als Erster das Wort zu ergreifen. Er hatte mich zu sprechen verlangt, also war er am Zug.
»Nutte«, stieß er hervor und kicherte dann amüsiert.
Damit war jede Möglichkeit vom Tisch, er könnte eventuell doch meinen juristischen Rat suchen. Er war ausschließlich hier, um mich einzuschüchtern. Smith hatte diesen Kerl beauftragt. Und ich hatte inzwischen eine ziemlich genaue Vorstellung seiner bevorzugten Überzeugungsmethoden.
»Hat dich Mami immer so genannt?«, fragte ich.
»Wie?«
»Ich meine, Arrelius, das ist doch ein Mädchenname, oder?
Hat deine Mami dich in hübsche rosa Puppenkleidchen gesteckt und dich Nutte genannt?«
Er ließ sich nicht aus der Reserve locken. Kurz ballte sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse, dann entspannte es sich wieder. Sein Mund war eine dünne, gerade Linie.
»Dein Bruder«, sagte er. »Is’n netter weißer Junge. Hübsche kleine Nutte. Ich mach ihn zu meiner Nutte, wenn er hier reinkommt. Aber egal, wo er hinkommt, irgendjemand macht ihn auf jeden Fall zu seiner Nutte. Dafür sorgen wir schon. Und wenn wir mit ihm fertig sind, wird er um die Klinge betteln.« Er zog den Finger quer über die Kehle. »Wir werden diesen weißen Knaben aufschlitzen.«
Ich hatte etwas in der Art erwartet. Und ich hatte mich innerlich gewappnet. Trotzdem kostete es mich meine gesamte Willenkraft - ich spannte jeden mentalen Muskel an, über den ich verfügte -, um desinteressiert, gelangweilt und ungerührt dreinzublicken, während mir dieser Knastbruder damit drohte, an meinem Bruder jedes nur vorstellbare Verbrechen zu begehen. Smith hatte mir bereits versichert, er habe einen ziemlich langen Arm. Nun war klar, er konnte Pete auch innerhalb von Gefängnismauern schaden. Pete würde das Zuchthaus niemals lebend verlassen, und die Zeit, die er darin zubrachte, wäre schlimmer als der Tod.
Ich schluckte die Wut hinunter, ignorierte das Pochen in meinem Schädel und nickte Arrelius Jackson langsam zu. »War’s das? Oder gibt’s sonst noch was?«
Er ließ sich einen Moment Zeit, dann grinste er mich an. »Ich reservier ihm hier ein warmes Plätzchen, Mann.«
Ich erhob mich und griff nach meiner Aktentasche. Ich marschierte an Jackson vorbei, blieb einen Schritt hinter ihm stehen, so dass seine an den Tisch geketteten Hände mich
nicht erreichen konnten. Dann beugte ich mich zu ihm vor und flüsterte in sein Ohr.
»Redgrave Park«, zischte ich. »Dort lebt doch dein Bruder, oder? Hör zu, Arrelius. Krümmt jemand meinem Bruder auch nur ein Haar, dann kastrier ich deinen. Und schick dir ein Bild davon zur Ansicht.«
Mit diesen Worten ließ ich ihn in der Zelle zurück, an seinen Fesseln zerrend, verunsichert, ob ich nur bluffte oder es wirklich so meinte.
Ich stand immer noch unter Strom, als ich das Reynard-Gefängnis verließ. Ich versuchte, mich auf die Lösung des Problems zu konzentrieren, aber ich konnte die entsetzlichen Bilder nicht abschütteln, die Arrelius Jackson in mir heraufbeschworen hatte. Als Staatsanwalt erfährt man, dass Vergewaltigungen im
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