Der Mann im Schatten - Thriller
dem College fast noch mehr. Und ich war kein Mönch. Ich akzeptierte die Angebote bereitwillig. Aber ich nahm das Ganze nie für bare Münze. Außerdem war es in Wahrheit ein ziemlich einsames Leben, weil man ständig die Motive der Menschen seiner Umgebung hinterfragte - der Coachs, der Förderer, der Mädchen - und tief im Inneren niemandem wirklich vertraute. In meinen Augen benutzte mich das College, und ich benutzte das College, bis ich meinen Abschluss hatte und mich für ein Jurastudium einschreiben konnte.
Talia hielt auch nichts von Heldenverehrung. Sie war nicht mal mit den elementarsten Regeln des Football vertraut. Wir lernten uns im letzten Jahr auf dem College kennen, und nichts ließ sie gleichgültiger als Sport. Vermutlich war das eines der vielen Dinge, die mich zu ihr hinzogen. Sie lauschte interessiert meinen Berichten über meine Glanzleistungen, schien dabei jedoch mehr in einem Prozess allgemeiner Informationssammlung begriffen, so als handelte es sich einfach um ein weiteres Teilchen, dass sie dem Puzzle Jason Kolarich hinzufügte.
Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, wie dieses Puzzle einmal ausgesehen hatte, als alle Teilchen noch vollständig an ihrem Platz waren. Nur eines konnte ich definitiv sagen: Egal, wie es früher aussah, es würde nie wieder seinem damaligen Zustand ähneln. Ich würde mich niemals gänzlich vom Verlust Talias und Emilys erholen. Vielleicht würde sich die offene, blutende Wunde schließen, aber sie würde immer empfindlich bleiben.
Ich beobachtete, wie Pete, der wie ein kleiner Junge wirkte
mit seinem strubbligen Haar und dem übergroßen Sweatshirt, ein Bier zu viel trank. Gelegentlich verzog sich seine Miene sorgenvoll, wenn er an seine Zukunft dachte. Und während ich ihm so zuschaute, wurde mir klar, dass ich jetzt vor nichts mehr zurückschrecken würde.
In meinem Herzen war ich nie ein Footballspieler gewesen und noch viel weniger ein Teamspieler. Ich spürte immer die Rivalität. Ich wollte gewinnen, und ich genoss den Reiz des Kampfes.
Aber jetzt wurde es persönlich. Smith und seine Freunde bedrohten das, was noch von meiner Familie übrig war. Und ich würde dafür sorgen, dass sie diesen Schritt bitter bereuten.
Am Montagmorgen - es waren noch einundzwanzig Tage bis zum Prozess - betrat ich mein Büro gegen neun. Kaum hatte ich die ersten Akten aufgeschlagen, meldete sich Marie über Sprechanlage. » Ein Arrelius Jackson aus der Reynard-Haftanstalt?«
Der Name sagte mir nichts. Vermutlich ein Kerl, der dort auf Staatskosten logierte.
»Er soll mir eine Nachricht hinterlassen«, erwiderte ich.
Kurz darauf meldete sich Marie erneut. »Er sagt, es sei dringend. Angeblich hat er Ihre Nummer von Mr Smith.«
Ich fühlte, wie mir das Blut in den Adern gefror. »Ich nehme das Gespräch an.« Ich drückte den blinkenden Knopf. »Jason Kolarich.«
»Hey, ich muss mit Ihnen reden.« Im Hintergrund herrschte ein Riesenradau. Er war definitiv ein Insasse, der den Münzfernsprecher nutzte.
»Schießen Sie los.«
»Keine Chance. Nur unter vier Augen, Mann.«
»Ich bin leider sehr beschäftigt.«
»Nicht zu beschäftigt für das hier, Mann. Wissen Sie, wo Reynard ist?«
»Klar«, erwiderte ich. »Ich schicke jede Menge Leute dorthin.«
Ich bildete mir ein, ein leises Lachen zu hören. »Sie sollten besser hier auftauchen, Mann. In Ihrem eigenen Interesse.«
Dann war die Leitung tot. Ich starrte auf den Hörer, als hätte er Antworten für mich parat. Allerdings hatte ich auch so schon eine ziemlich deutliche Vorstellung, um was es hier ging.
Smith schien kein Nein als Antwort zu dulden.
Mein Handy klingelte. Ich spähte aufs Display, das Joel Lightners Nummer anzeigte. Ich gönnte mir einen Moment, um nach meinem Gespräch mit Mr Arrelius Jackson wieder etwas runterzukommen, dann ging ich dran.
»Ich hab was über John Dixon. Bist du bereit?«
»Wenn du es bist«, erwiderte ich.
»Ein schwarzer Bursche, Alter achtundzwanzig. Sieben Anklagen, alle in Zusammenhang mit Drogendelikten. Drei davon niedergeschlagen, außerdem drei Deals, bei denen er mit Sozialarbeit davonkam, und einmal eingebuchtet. Eine Zeit lang war er wohl bei einer Gang, als Warlord, aber du weißt selbst, Warlords haben heutzutage nicht mehr viel zu melden. Jedenfalls ist er inzwischen ein einsamer Cowboy, lebt im Süden in Marion Park und arbeitet als Kurier für eine Investmentbanking-Firma.«
»Als Kurier?«
»Ja, ist das nicht praktisch? Vermutlich hockt die
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