Der Mann im Schatten - Thriller
Richtungen, nicht so sehr wegen möglicher Fußgänger, sondern wegen meiner Bewacher. Dann rollte ich langsam los, während mein Blick immer wieder zwischen Rückspiegel und Straße pendelte. Ich bemerkte kein Scheinwerferpaar, das mir folgte. An der nächsten Kreuzung bog ich in südlicher Richtung ab, und um ganz sicherzugehen, fuhr ich scharf an den Straßenrand und schaltete rasch Motor und Scheinwerfer aus. Ich wartete etwa fünf Minuten. Niemand folgte mir. Das hatte etwas zu bedeuten. Smith verfügte offensichtlich nicht über unbegrenzte Ressourcen.
Ich war etwa fünfundvierzig Minuten unterwegs, durch verlassene Straßen und über den Highway, während der Regen auf meine Windschutzscheibe prasselte. Regen erzeugt in mir immer ein Gefühl der Einsamkeit und der Verzweiflung, aber an diesem frühen Morgen verstärkte er eher das Gefühl, auf mich allein gestellt zu sein, und schärfte so meine Sinne.
Das Gebäude stand am äußersten Ende der Westside, ein Viertel, das zu prosperieren schien, den Läden nach zu schließen, die hier an den Hauptverkehrsadern aus dem Boden schossen. Es war ein Apartmenthaus. Mehr wusste ich nicht. Ich parkte in der Nähe und betrat es durch die erste Eingangstür. Sie war unverschlossen. Links in dem kleinen Eingangsbereich
waren sechs Briefkästen mit Klingelknöpfen darüber angebracht. Fünf der Briefkästen trugen provisorische Namensschilder. Einer war unbeschriftet. Ich vermutete, er war der gesuchte. Aber das verriet mir noch lange nicht, wo in diesem Gebäude die entsprechende Wohnung lag.
Ebenso wenig öffnete es mir die verschlossene zweite Tür, die den Eingangsbereich vom übrigen Gebäude trennte.
Ich spazierte zurück zum Wagen, wendete und bog dann rasch in die schmale Gasse hinter dem Gebäude ein. Dort waren sechs Parkplätze schräg auf den Boden gemalt. Fünf davon waren besetzt, einer war leer. Ich verglich die Kennzeichen mit dem, das ich suchte. Der Wagen stand nicht da.
Gut. Ich ließ den Motor laufen, stieg aus und überprüf te den von einer zerschlissenen Markise überdachten Hintereingang des Gebäudes. Die Tür war verschlossen. Neben einem der geparkten Wagen stand eine überfüllte Mülltonne, die, wie ich beschloss, für meine Zwecke einigermaßen geeignet war.
Ich fuhr meinen Wagen wieder zurück an seinen ursprünglichen Platz, nicht weit vom Vordereingang. Dann trabte ich um das Haus herum, zurück in die Gasse, wo ich genauer untersuchte, welche Möglichkeiten mir die Mülltonne bot. Sie stand näher am Hintereingang als die Autos, trotzdem galt es noch etwa vier, fünf Meter zwischen Tonne und Tür zu überwinden. Nicht perfekt, aber mir kam eine Idee, wie ich mir helfen konnte.
Ich durchwühlte die Tonne, nicht sonderlich erfreut darüber, mir die Hände schmutzig machen zu müssen. Ich fischte eine McDonald’s-Tüte heraus, die die Reste einer Mahlzeit enthielt. Die Überbleibsel eines Cheeseburgers deponierte ich direkt vor der Hintertür, wobei ich den Burger vom Brötchen
trennte, um das Ganze noch schmuddeliger wirken zu lassen. Außerdem verteilte ich ringsherum Fritten, um die Mahlzeit abzurunden.
Dann zog ich einen Tiegel Lippenbalsam heraus, den ich mir besorgt hatte. Aber anstatt ihn mit den Fingerspitzen auf den Lippen zu verreiben, griff ich mit der ganzen Hand hinein und verschmierte das Zeug großzügig auf der Türklinke. Ich fühlte mich wie ein Bildhauer, als ich sicherstellte, dass auch noch der letzte Winkel des Griffs satt mit der öligen Schmiere bedeckt war.
Dann wartete ich. Ich war versucht, mich unter der Markise zu postieren, um trocken zu bleiben, aber dort hätte man mich entdeckt. Also duckte ich mich hinter der Mülltonne, schutzlos dem Regen ausgesetzt, der mir in den Kragen rann und mein Haar durchnässte. Oh, Talia, wenn du mich so sehen könntest.
Ich lauschte, so gut es bei dem Regen ging, auf die Geräusche eines sich nähernden Wagens. Alle paar Minuten erhob ich mich und streckte meine Glieder, um beweglich zu bleiben.
Es geschah gut eine Stunde später. Als endlich die Räder auf dem unebenen Asphalt knirschten und ein maroder Motor stotterte und spuckte, war ich klatschnass und vermutlich in genau der richtigen Stimmung.
Ich griff in meine Jackentasche und zog eine Skimaske heraus, die ebenfalls nass war, aber nicht annähernd so durchweicht wie alles andere, was ich trug. Ich stülpte sie über und horchte, wie der Wagen quietschend in die Gasse rollte, zurückstieß und auf dem
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