Der Mann im Schatten - Thriller
hatte sie mir ihren Wagen geliehen, jetzt hatte sie mit Pete die Rollen getauscht und verbrachte die Nacht in meinem Haus.
Obwohl es schon spät war und Shauna morgen früh rausmusste, hockten wir noch eine Weile im Wohnzimmer herum. Es fühlte sich ein bisschen an wie in alten Zeiten, damals am College. Nach meinem Rauswurf aus dem Footballteam wegen eines kleinen Missverständnisses zwischen mir und dem Mannschaftskapitän zog ich außerhalb des Campus in
ein Haus mit fünf Zimmern. Das hört sich luxuriös an, allerdings muss man wissen, dass dort acht Mitbewohner hausten. Shauna war eine davon. Wir schlugen uns unzählige Nächte um die Ohren, tranken das billigste Bier, das wir auftreiben konnten - wie schlecht konnte schon ein Bier sein, das den Namen Milwaukee’s Best trug? -, hörten REM-Alben, debattierten darüber, ob die Band mit Automatic for the People interessante neue Wege eingeschlagen oder den kommerziellen Ausverkauf eingeläutet hatte, diskutierten die Errungenschaften der Reagan-Revolution, zählten Berühmtheiten auf, mit denen wir gerne schlafen würden, und so weiter. Einfachere Zeiten.
Gleichzeitig fühlte es sich merkwürdig an, über Nacht eine Frau mit in dieses Haus zu bringen; ganz so, als wäre etwas Verwerfliches daran. Irgendwie schien ein schwacher sexueller Unterton dabei mitzuschwingen, obwohl es sich nur um Shauna handelte. Schließlich war es Talias Haus. Und das würde es immer bleiben.
Shauna reckte die Arme über dem Kopf und gähnte. Diese Bewegung, an sich völlig unschuldig, weckte Erinnerungen an die Highschool, an die kurze Phase, in der wir mehr als nur Freunde gewesen waren. Unsere Blicke begegneten sich, und ich sah sofort blinzelnd zur Seite, so, als hätte man mich bei etwas Verbotenem erwischt, das ich dennoch heimlich genoss. Es würde niemals funktionieren, es wäre nicht gut, nicht mit Shauna, aber es schien mir eine Ewigkeit her zu sein, und nicht nur vier Monate, dass ich etwas Derartiges gefühlt hatte. Ich war immer noch am Leben. Ich war imstande, etwas zu empfinden.
Shauna verabschiedete sich ins Bett, löste so die Spannung auf, während ich zurückblieb und mich fragte, ob diese Gefühle
wohl auf Gegenseitigkeit beruhten. Doch ich musste mich im Moment um wichtigere Dinge kümmern.
Ich ging in mein eigenes Zimmer und setzte mich aufs Bett, um nachzudenken. Um Mitternacht schaltete ich das Licht aus. Dunkelheit schien mir angemessener. Ich hockte inmitten der Finsternis auf meinem Bett und versuchte mich zu konzentrieren. Es fühlte sich an, als wollte ich eine Schar Kakerlaken einfangen, die im Licht davonstoben. Draußen klatschte der Regen schwer gegen das Fenster und trommelte auf das Dach. Ich überlegte, wo Pete jetzt wohl war. Ich musste davon ausgehen, dass er sich in Sicherheit befand, alles andere wäre unerträglich gewesen.
Als Staatsanwalt trug ich damals eine Dienstmarke, die ich eigentlich bei meinem Austritt aus dem Büro des Distriktstaatsanwalts hätte zurückgeben müssen. Aber nach etwa drei Jahren Dienst hatte ich die Marke verloren und musste eine neue beantragen. Organe der Strafverfolgung verstehen beim Verlust einer Dienstmarke normalerweise keinen Spaß, denn wenn sie in falsche Hände gelangt, kann das zu Problemen führen. Außerdem hatte die Staatsanwaltschaft das Recht, mir für den Verlust der Dienstmarke ein ganzes Wochengehalt abzuziehen, und mein Vorgesetzter, der an mir ein Exempel statuieren wollte, machte davon in vollem Umfang Gebrauch. Etwa zwei Monate später fand ich meine alte Marke wieder. Den Vorschriften entsprechend hätte ich sie eigentlich abgeben müssen, was ich jedoch unterließ. Keine Ahnung mehr, warum, aber womöglich hatte es etwas mit dem abgezogenen Wochengehalt zu tun und der Vorstellung, dass ich deswegen einen Anspruch auf das Ding hatte. Nicht unbedingt ehrlich von mir. Aber jetzt kam es mir sehr zupass.
In der Dunkelheit meines Schlafzimmers steckte ich die
Dienstmarke ein - und meinen Revolver. Shauna hatte auf meine Bitte hin ihren Wagen einen Block weiter geparkt, damit ich ihn heute Nacht benutzen konnte. Aber nun hatte ich eine neue Idee. Und ich traf eine Bauchentscheidung. Ich beschloss, meinen eigenen Wagen zu nehmen. Erstens, weil ich sehen wollte, was geschah - ob mein Schatten mich rund um die Uhr verfolgte. Und zweitens weil ich nicht mit Shaunas Auto erwischt werden wollte, wenn irgendetwas schieflief.
Ich stieß rückwärts aus der Garage, schaute gründlich in beide
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