Der Mann im Schatten - Thriller
Anwalt.«
Ich zwang mich zu diesem Lächeln, das Leuten vorbehalten ist, denen ich gerne die Zähne einschlagen würde.
»Nein, das können Sie getrost vergessen«, fuhr er fort. »Aber hören Sie, Herr Anwalt. Angesichts der aktuellen Schlagzeilen über Perlini und all das... ich habe in der Sache noch ein kleines bisschen Verhandlungsspielraum. Wie wir wissen, handelt es sich um eine vorsätzliche Tat, wir haben so etwas wie ein Geständnis, außerdem ein Video, dass ihn in Verbindung mit dem Tatort bringt, ich meine...«
»Lester«, unterbrach ich ihn. »Haben Sie mich extra kommen lassen, nur um mir klarzumachen, wie beschissen es für mich aussieht? Oder wollen Sie mir einen Deal anbieten?«
Er beäugte mich einen Moment, dann setzte er ein künstliches Lächeln auf. Dieser Kerl war glatt wie ein Aal. »Mord mit bedingtem Vorsatz, zwanzig Jahre. Ein Geschenk. Danach können Sie Ihren Freunden erzählen, sie hätten mich nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen.«
So wie er es darstellte, hätte man glauben können, es regne gleich Luftballons und Konfetti von der Decke. »Totschlag«, konterte ich. »Strafe abgebüßt.« Totschlag ist die einzige Mordanklage, die dem Richter die Möglichkeit lässt, ganz auf eine Gefängnisstrafe zu verzichten, beziehungsweise, wie
in Sammys Fall, die Untersuchungshaft anzurechnen, und damit die Strafe als abgesessen zu betrachten.
»Strafe abgebüßt. Strafe abgebüßt.« Mapp gluckste. Er schwenkte eine Hand in der Luft, als dirigiere er ein stummes Orchester. »Vielleicht können wir über Mord im minder schweren Fall reden. Und womöglich gehe ich sogar runter auf fünfzehn. Eine vorgezogene Weihnachtsbescherung für Sammy Cutler.«
Der Leichenfund hinter der Grundschule - und die anschließenden Schlagzeilen - hatten offensichtlich die beabsichtigte Wirkung gezeigt. Die Bezirksstaatsanwaltschaft tat sich schwer damit, die Höchststrafe für einen Mann zu fordern, der den Mord an seiner Schwester gerächt hatte. Aber sie konnten ihn auch nicht einfach freilassen, weil sie damit stillschweigend Selbstjustiz toleriert hätten, also waren sie auf eine Übereinkunft aus, bei der sie nicht als Unmenschen dastanden.
»Lassen Sie mich einen Moment darüber nachdenken, Lester.« Ich starrte eine Weile an die Decke. »Nein... Totschlag, Strafe abgebüßt.«
Das Lächeln des Staatsanwalts verschwand. »Die Jury wird nie davon erfahren, dass Perlini ein Pädophiler war«, sagte er. »Oder dass er angeblich Cutlers Schwester was angetan hat.«
»Jetzt klingen Sie fast wie ein Strafverteidiger, Lester.« Der Ankläger bezog sich auf den Beschluss der Richterin, während des Prozesses keine Hinweise auf Perlinis Vorgeschichte als Sexualstraftäter zuzulassen. Hätte Sammy auf eingeschränkte Schuldfähigkeit plädiert, wäre das kein Problem gewesen. Aber da er jede Schuld abstritt, war die kriminelle Vergangenheit des Opfers irrelevant.
Andererseits, ich war mir ja gar nicht mehr sicher, ob Sammy Griffin Perlini überhaupt getötet hatte. Langsam begann ich mich an Archie Novotny zu gewöhnen.
»Totschlag und drei«, schlug ich vor. Falls Sammy sich anständig aufführte, auf jeden abgesessenen Tag einen Tag Straferleichterung erhielt und man die Untersuchungshaft anrechnete, musste er dann noch mit etwa sechs Monaten rechnen. Damit wurde er fertig. Einen weiteren Faktor stellte Smith dar. Dieser Deal befriedigte ganz sicher seinen Wunsch nach einer schnellen Lösung, und ich musste nicht länger in etwas herumstochern, das er lieber unangetastet ließ.
Mapp veranstaltete ein Riesentheater, ließ den Kopf in den Nacken fallen, stöhnte laut und nahm Anlauf für die Zurschaustellung seiner überwältigenden Großzügigkeit, Sammys vorgezogene Weihnacht. Das Einzige, was bei seiner Autoverkäufer-Attitüde noch fehlte, war die Versicherung, »sie hätten noch nie zuvor so günstige Konditionen gegeben«, aber ich »sei ihm einfach so sympathisch«.
»Ich muss da zwar nochmal oben nachfragen«, begann er. »Aber Mord im minder schweren Fall und zwölf. Obwohl ich das locker als Vorsätzlichen verkaufen könnte...«
»Mit einer Art Geständnis?« Ich stemmte die Hände auf die Lehnen meines Stuhls, bereit aufzustehen und den Raum zu verlassen.
»Also wirklich, Sie werden mir doch jetzt nicht sagen wollen, dass Sie dieses Angebot ausschlagen«, protestierte er. »Zwölf Jahre?«
Erneut fixierte er mich. Anscheinend glaubte er, dass mich sein durchdringendes
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