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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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können wir es mit nichts vergleichen, das Audrey getragen hat - sofern das überhaupt noch möglich wäre.«
    »Fazit«, fasste ich zusammen, »wir müssen auf den DNA-Test warten.«
    »Genau. Ich steh einem von diesen Typen schon dauernd auf den Zehen, damit sie ein bisschen Gas geben. Aber Sie wissen ja, wie das ist. Es können Monate vergehen, bevor wir die Antwort kriegen. Also wird Ihr Mandant, dieser Sammy, seinen Prozess wohl um ein Jahr verschieben müssen.«
    Was bekanntlich nicht zur Diskussion stand, aber die Tests schienen mir ohnehin nicht mehr von großer Bedeutung. Abgesehen davon hatte Sammy fünfundzwanzig Jahre auf den einen definitiven Beweis gewartet, dass Perlini der Mörder Audreys war. Er konnte gut noch ein weiteres Jahr warten.
    »Nur eine Sache kann ich Ihnen sagen«, fügte Carruthers hinzu. »Wir haben das Alter dieser Mädchen schätzen lassen. Sie haben alle etwa das Alter Audreys zu jener Zeit. Aber Sie wissen ja, ganz genau lässt sich das nicht bestimmen.«
    Ich war mit dem Gefühl aufgewachsen, dass ich niemals würde den Schmerz erahnen können, den es für Sammys Eltern bedeutete, ein Kind auf so grausame Weise zu verlieren. Doch inzwischen hatte ich eine ziemlich präzise Vorstellung
davon. Die Bilder, die dieses Gespräch in mir weckte und die ich sofort vehement zu verdrängen suchte, betrafen nicht Audrey, sondern meine eigene Tochter Emily, in ihren Sitzgurten gefesselt und unter Wasser verzweifelt nach Luft ringend.
    Ich starrte auf den Antrag, den ich aufgesetzt hatte - das Schreiben, in dem ich beschleunigte DNA-Tests der Leichen hinter der Grundschule forderte, beziehungsweise eine Verschiebung des Prozesses bis zum Abschluss der Tests. Jetzt brauchte ich das alles nicht mehr. Ich hatte Archie Novotnys Motiv, um der Jury vor Augen zu führen, dass Griffin Perlini ein Pädophiler war. Diesen Antrag einzureichen würde Smith lediglich provozieren. Sollte ich es also deswegen tun? Unvermittelt musste ich an meinen Bruder denken. Ich rief ihn auf dem Handy an.
    »Ich langweile mich zu Tode«, erklärte er.
    »Langeweile ist gut. Langeweile gefällt mir.« Ich sehnte mich nach Langeweile.
    »Wie geht’s voran?«
    »Schritt für Schritt«, erwiderte ich. »Ich arbeite dran.«
    Ich legte auf und ging erneut den Antrag durch. Er war fertig zum Versenden.
    »Marie«, sagte ich in die Sprechanlage. »Schicken Sie bitte heute noch den Antrag im Cutler-Fall los.«
    Vermutlich würde sich Smith schon bald bei mir melden.

34
    Lester Mapps Büro lag im sechsten Stock, über den meisten Gerichtssälen des frisch renovierten Gerichtsgebäudes. Man hatte ihm einen der heimeligeren Arbeitsplätze überlassen, sprich, er hatte ein Zimmer für sich, das sogar eine Tür besaß. Von innen hatte sich in dem Gebäude seit meinen Tagen nicht viel verändert - zerschlissener Teppichboden, billige Kunstdrucke, eintönige Farben, heruntergekommene Möbel.
    Er drehte sich in seinem Bürostuhl herum und nickte mir zu. Er trug einen kleinen Ohrhörer, der offensichtlich mit einem Handy verbunden war. Er deutete auf einen Stuhl.
    »Bombensichere Sache«, sagte er, wobei er mich weiter unverwandt ansah. Er musterte den Vertreter der Gegenpartei und war, so vermutete ich jedenfalls, recht angetan vom Stand der Dinge. Ich hatte heute Morgen nur kurz in den Spiegel geblickt und dabei die lilafarbenen Tränensäcke unter meinen trüben Augen entdeckt.
    »Bombensichere Sache. Wir bleiben in Kontakt. Ich hab jetzt jemanden hier.« Mapp fasste an seinen Gürtel, vermutlich um das Handy auszuschalten. »Jason Kolarich«, begrüßte er mich in einem Tonfall, der nach elterlicher Missbilligung klang. »Sie sind mir ja ein fleißiges Bienchen.«
    Ich schwieg. Herablassung gehört nicht zu den Charaktereigenschaften, die ich sonderlich schätze. Da ist mir schon lieber, wenn mich jemand ohne Umschweife Arschloch schimpft.
    »Archie... Archie...« Er suchte etwas auf seinem Schreibtisch, der, ganz im Gegensatz zu meinem, ein Muster an Sauberkeit und Ordnung darstellte. »Archie Novotny«, sagte er
und griff sich das Dokument, dass ich ihm gefaxt hatte. »Archie Novotny ist also der Mann, der Griffin Perlini getötet hat!«
    Er hatte mir immer noch keine Frage gestellt. Also machte ich es mir in meinem Stuhl bequem und schaute mich in seinem Büro um.
    »Die Richterin wird dem niemals stattgeben«, teilte er mir mit. »Sie wollen Perlinis Pädophilie über ein Hintertürchen einführen? Also, mal ehrlich, Herr

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