Der Mann im Schatten - Thriller
Starren einschüchterte. Viele Staatsanwälte glauben das. Vermutlich hatte ich das zu meiner Zeit auch getan.
Ich erhob mich. »Ziehen Sie das nächste Mal Ihre Spendierhosen an«, sagte ich.
Mein Gegenspieler wechselte die Taktik, brach in ein gespieltes Lachen aus und wedelte mit dem Zeigefinger. »Kolarich, Kolarich. >Ziehen Sie das nächste Mal Ihre Spendierhosen an.< Der war gut. Hören Sie. Denken Sie über die zwölf Jahre nach, und ich werde es ebenfalls tun. Vielleicht... vielleicht sogar über zehn.«
Interessant. Wenn ich zehn Jahre als Verhandlungsbasis auf dem Tisch hatte, konnte ich die Strafe vielleicht auf acht drücken, und wenn mir die Richterin gewogen war, womöglich sogar auf sechs oder sieben. Das war alles in allem gar kein schlechter Deal. Obwohl ich erst noch mehr über meinen Fall herausfinden wollte, hatte ich immerhin dafür gesorgt, dass der Staatsanwalt sich in die richtige Richtung bewegte. Es war nicht viel, aber verglichen mit den vergangenen Tagen begannen die Dinge, schon etwas freundlicher auszusehen.
35
Ich habe Polizeireviere nie gemocht, nicht einmal in meiner Zeit als Staatsanwalt. Diese Orte erinnern mich immer an Burschenschaftshäuser, nur dass die Mitglieder dieser Burschenschaft Pistolen und Schlagstöcke tragen und das Recht besitzen, andere zu durchsuchen, festzuhalten und zu verhaften. Ich bin auch nie einem Cop persönlich nähergekommen, was sich allerdings eher der Ablehnung verdankt, die ich in
meiner Jugendzeit gegen die Polizei entwickelt habe. Abgesehen von ein paar Cops, die wirklich kriminell sind - käuflich und korrupt -, gibt es viele, die schlicht bequeme Abkürzungen nutzen: Jungs und auch Mädels, die der Auffassung sind, der Zweck heiligt die Mittel, die sich an Vorwarnungen erinnern können, die nie erfolgt sind, die Drogen gut sichtbar platzieren, nachdem sie das Zeug unerlaubterweise unter einer Matratze hervorgezerrt haben, und die eine extrem großzügige Auslegung von freiwilligen Geständnissen haben.
Andererseits musste ich nie durch eine Tür gehen, ohne zu wissen, was mich dahinter erwartet. Ich musste nie einen Verdächtigen abtasten und mich dabei fragen, ob er vielleicht eine mit Aids infizierte Spritze in der Tasche trug. Ich musste mir nie vor einer Arbeitsschicht Sorgen machen, ob es vielleicht meine letzte war. Und ich hatte nicht einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung gegen mich, ohne dass diese Leute auch nur einen Schimmer davon hatten, mit welchem Scheiß ich mich ständig herumschlug.
Letztendlich hing alles davon ab, an wen man geriet. Cops waren wie alle anderen Berufsgruppen - einige waren in Ordnung, andere weniger. Zu welcher Sorte gehörte Detective Denny DePrizio?
An meinen Wagen gelehnt, ging ich noch einmal mein Gespräch mit Lester Mapp am Vormittag durch. Zivilbeamte und Uniformierte strömten an mir vorbei durch den Eingang des Reviers, während sich die Dämmerung über die Stadt senkte. Einige Cops eskortierten Verhaftete, die sich stumm fügten, bis auf einen Obdachlosen, der sie als »Verräter« beschimpfte und der, wenn ich ihn richtig verstand, irgendetwas von Herbert Hoover brabbelte, wobei er aller Wahrscheinlichkeit nach J. Edgar meinte.
Ich bemerkte DePrizio, als er aus seinem Wagen sprang, von der soeben untergehenden Sonne beleuchtet. Sein Partner, ebenfalls ein Weißer, stieg auf der Beifahrerseite aus und sagte irgendwas zu DePrizio, das diesen auflachen ließ. Alles in allem wirkte er für einen Cop ziemlich umgänglich, was allerdings in meinen Augen die Chance stark verringerte, dass er wirklich vertrauenswürdig war. Ich ziehe Arschlöcher vor. Die sagen einem wenigstens offen, was sie denken.
Irgendwie fing er meinen Blick auf, vermutlich war er darauf trainiert, aus dem Augenwinkel Leute wahrzunehmen, die dastanden und ihn anstarrten. Er schaute kurz weg und sah dann erneut in meine Richtung, dann blieb er stehen, zeigte auf sich und hob fragend die Augenbrauen. Ich nickte. Er erwiderte mein Nicken. Jetzt hatten wir beide genickt. Offensichtlich bedeutete das, ich sollte zu ihm kommen, was wohl der hier zugrunde gelegten natürlichen Rangordnung entsprach, mir aber deswegen noch lange nicht schmeckte.
DePrizio verabschiedete sich von seinem Partner und machte ein paar Schritte auf mich zu. »Herr Anwalt«, sagte er, und es klang mehr wie eine Frage. Ich war mir nicht sicher, ob er mich wirklich nicht einordnen konnte, oder ob er nur so tat.
»Jason Kolarich«, erwiderte ich,
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