Der Mann im Schatten - Thriller
zu können. »Unser Freund Mace heißt Marcus Mason«, erklärte ich Joel. »Er wohnt in der Tenth Street.«
»Hm.« Lightner knurrte missbilligend. Die Tenth Street Crew war ein ziemlich wüster Haufen, sogar an üblichen Gang-Standards gemessen. Und sie waren ganz besonders empfindlich, wenn Leute plauderten.
»Besorg mir die genaue Adresse dieses ehrenwerten Herrn«, bat ich.
Lightner schwieg.
»Hallo?«, fragte ich.
»Wie wär’s, wenn ich mit dem Kerl spreche?«, schlug er vor.
»Nein, ich mach das schon. Adresse und Vorstrafen wären prima.« Informationen über Marcus Mason wären nicht schwer aufzutreiben. Vermutlich hatte er ein Vorstrafenregister so lang wie die Magna Charta. »Hast du schon was über dieses Apartment, in dem J.D. wohnt?« Ich fragte in erster Linie, um das Thema zu wechseln.
»Nicht viel«, erwiderte Joel. »Er hat einen Monat im Voraus bezahlt, in bar.«
»Er hat selbst bezahlt?«
»Ja, sorry.«
Schade. Aber schließlich konnte ich schlecht erwarten, dass Smith dem Vermieter einen persönlichen Scheck ausstellte. Diese Kerle schienen Übung darin zu besitzen, ihre Spuren zu verwischen.
»Wie steht’s mit Archie Novotny?«, fragte ich.
»Wir beobachten ihn. Bisher ohne Ergebnis. Er arbeitet im Baumarkt, und es sieht so aus, als ob er sein Haus renoviert. Im Alleingang. Keine Ahnung, wie ich den Kerl mit Smith in Verbindung bringen soll. Vor allem weil ich verflucht nochmal keinen Schimmer habe, wer Smith ist.«
»Schon klar.«
»Und Novotnys Hintergrund scheint sauber, bisher zumindest, nichts, was auf Mafiakontakte oder Ähnliches hindeutet. Der Kerl ist ein arbeitsloser, gewerkschaftlich organisierter Anstreicher, der abends zu Hause hockt und fernschaut oder Gitarre spielt. Er besitzt ein kleines Haus und einen alten Chevy, und auf seinem Bankkonto sieht es nicht gerade rosig aus.«
»Okay, gut, bleib dran.« Mir war das Ganze selbst ein Rätsel. Es war nur schwer vorstellbar, wie Archie Novotny mit Smith und Konsorten zusammenhängen sollte.
Gleich nachdem ich im Büro eingetroffen war, rief ich zum dritten Mal die Augenzeugen der Anklage im Mordfall Perlini an - das ältere Pärchen, das Sammy hatte vorbeirennen sehen, und Perlinis Nachbar. Diese Leute vermieden jeden Kontakt mit mir, ein vertrautes Problem für Strafverteidiger. Weigert man sich, mit dem Staatsanwalt zu reden, gilt das gleich als
Behinderung der Ermittlungen. Weigert man sich dagegen, mit dem Verteidiger zu sprechen, wen kümmert’s?
Machen Sie sich keine Gedanken über die Zeugen , hatte Smith mich angewiesen. Aber ich hatte nicht die Absicht, mich in irgendeiner Hinsicht auf ihn zu verlassen. Ich musste diese Leute aufsuchen. Und ich musste dafür sorgen, dass Smith keinen Wind davon bekam.
Marie meldete sich über die Sprechanlage und informierte mich, dass ich während meines Telefonats einen Anruf von Detective Vic Carruthers erhalten hatte, der damals Audreys Verschwinden untersucht hatte. Ursprünglich hatte ich gehofft, Perlini den Mord an Audrey nachweisen zu können, um dann irgendeinen Weg zu finden, der Jury diese Beweise vorzulegen; und das allein aus dem Grund, um bei den Geschworenen Hass auf das Opfer zu schüren. Inzwischen konnte ich ihnen jedoch einen weiteren Verdächtigen präsentieren - Archie Novotny -, der wegen des Missbrauchs seiner Tochter durch Griffin Perlini ein klares Motiv besaß. Nun würde die Jury ohnehin erfahren, was für eine Gestalt Griffin Perlini war, ohne dass ich ihm das Verbrechen an Audrey nachweisen musste. Außerdem, sobald ich mit dem Finger auf Novotny zeigte, würde sich die Anklage womöglich selbst herausgefordert fühlen, Audreys Fall aufzurollen, um dadurch Sammys Motiv zu untermauern. Mit ein bisschen Glück würde die Jury alle möglichen hässlichen Dinge über Griffin Perlini erfahren und beschließen, dass niemand für diesen Mord ins Gefängnis musste.
Womöglich rief Carruthers an, weil er seine Akte zurückwollte. Ich hatte bisher nicht die Zeit gefunden, sie ordentlich durchzusehen, und inzwischen war es vermutlich auch gar nicht mehr nötig.
»Detective, hier ist Jason Kolarich.«
»Ja, Jason. Dachte, ich bring Sie kurz auf den neusten Stand.«
»Danke, das freut mich.«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr mitteilen. In den Gräbern war nicht viel zu finden. Ich hatte gehofft, Perlini hätte ein Memento hinterlassen, irgendein Erinnerungsstück oder so was, hat er aber nicht. Alle Mädchen waren nackt begraben, also
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