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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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Gänsehaut aus Spannung und Angst verursacht. Ganz leise, langsam lauter werdend ist das typische Brummen von feindlichen Bomberverbänden zu hören: ein tiefer, lauter Grundton der gleich klingenden Motoren, umrahmt von etwas tieferen und etwas höheren Klängen der Maschinen, die etwas mehr oder etwas weniger Gas geben müssen, um in der Formation zu bleiben. Eigentlich müßte man das auf dem Klavier nachspielen können: tiefliegende Oktaven und die umliegenden Töne. Laut müßte man das spielen; zumindest den Grundton, mit durchgetretenem Pedal, die anderen Töne etwas leiser dazwischen. Ich muß es irgendwann einmal probieren. Bomberverbände kann man auf dem Akkordeon nicht nachspielen, aber auf dem Klavier müßte es gehen.
    Ich stehe auf und blicke gespannt in die Richtung, aus der das Grollen kommt. Und tatsächlich erscheinen die »Lancaster«-Bomber. Wir Kinder können schon jeden Flugzeugtyp am Geräusch erkennen. Langsam nähern sie sich, das Geräusch wird immer lauter. Der ganze Himmel ist plötzlich voller Flugzeuge, die immer in Formationen von versetzten Dreierreihen fliegen. Sie werden Klagenfurt bombardieren. In der letzten Zeit sind diese Angriffe häufiger
geworden. Und immer hört man, kaum sind die Bomber in Sicht, unsere Flak aus den umliegenden Wäldern. Um die Flugzeuge herum gibt es dann kleine Explosionen, ein kleines Feuerwerk von den Schüssen der Flugabwehr. Kleine, rauchige Sprengungen. Nachher können wir wieder losgehen, um die Splitter der Flak-Granaten zu sammeln, die überall im Wald niedergehen. Sie haben ganz besondere, bizarre, irgendwie wunderschöne Formen, ein bißchen so, wie die geheimnisvollen Figuren, die beim Bleigießen an Silvester entstehen und aus denen man angeblich die Zukunft ablesen kann. Joe und ich haben schon eine Sammlung an Granatensplittern, die sich sehen lassen kann. Noch besser wäre es natürlich, wenn wir Teile von abgeschossenen Flugzeugen in unserer Sammlung hätten … Gespannt warten wir jedesmal darauf, daß einer der Bomber getroffen wird, aber bisher ist das noch nie passiert.
    Gebannt blicke ich in den Himmel. Fasziniert vom Klang der Bomber, vom Rhythmus der Schüsse, vom Anblick der in den Wolken explodierenden Munition unserer Flak. Und plötzlich - ja, tatsächlich! - da bricht bei einem der Bomber ein Flügel ab. Das Geräusch verändert sich sofort. Das Flugzeug löst sich langsam aus der Formation, zieht einen langen Feuer- und Rauchschweif hinter sich her. Die Maschine dreht sich, fällt in einen Sturzflug, rast mit heulenden Motoren der Erde entgegen. Weithin kann ich die rauchende, steile Bahn verfolgen! Bisher habe ich das immer nur im Kino gesehen, in der Wochenschau, wenn das Wanderkino manchmal zu uns nach Ottmanach kam und im Gemeindesaal gespielt hat. Noch nie habe ich das mit eigenen Augen erlebt! Es stürzt ganz in unserer Nähe ab! Irgendwo Richtung Gammersdorf!
    Ich renne zu meinem Fahrrad. Joe sitzt auch bereits auf seinem. »Hast du das gesehen!« Im Taumel des Abenteuers radeln wir los. Laut hören wir den gewaltigen Knall des Aufschlags, gleich darauf eine mächtige Explosion. Bestimmt ist irgendwas im Flugzeug explodiert.
    Inzwischen fallen die ersten Bomben auf Klagenfurt. Die Luft ist erfüllt von Detonationen und Geräuschen, als würden drei Gewitter gleichzeitig losbrechen.
    An jeder Weggabelung treffen wir auf andere Kinder und Jugendliche, die sich wie wir auf den Weg zur Absturzstelle machen. Wir fahren über Felder und Stock und Stein. Und nach einigen Kilometern
sind wir plötzlich ganz nah. Umgestürzte Bäume. Überall verteilte kleine Metallteile. Hitze. Und schließlich ein riesiger, tiefer, weiter Krater, in dem der größte Teil des zerfetzten Flugzeugs liegt und brennt. Es riecht nach heißem Metall. Wie das abgefeuerte Jagdgewehr unseres Vaters. Nur viel stärker. Und nach verbranntem Fleisch, ein süßlicher Geruch, den ich von einem Brand in einem Stall eines Nachbarhofes her kenne. Damals hat es zwei von den Schafen erwischt. Es hat genauso gerochen.
    Die Munition der geladenen Maschinengewehre explodiert wie bei einem Feuerwerk. Manchmal fliegen Patronenhülsen durch die Luft. Ein Schauspiel, das mich zutiefst in seinen Bann zieht. Fasziniert bleibe ich stehen. Andere Kinder erforschen die Umgebung.
    Plötzlich der Ruf eines Jungen: »Kommt mal her! Seht euch das an!« In erregter Neugier rennen wir los und sehen einen Helm, in dem irgendetwas Blutiges hängt. Einer der ganz Mutigen dreht den

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