Der Mann mit dem Fagott
deutlich, daß er kein Manager für einen Künstler sein wolle, der nur noch an der bestmöglichen Vermarktung vergangener Hits interessiert sei, sondern daß er sich auf meine musikalische Zukunft freue.
»Ich will, daß du noch Jahrzehnte auf der Bühne stehst, und ich möchte dabeisein«, hatte er damals voller Begeisterung erklärt. »Deine besten Jahre liegen noch vor dir, du wirst es erleben. Wie ich dich einschätze, wirst du auch mit 70 noch auf der Bühne stehen!«
Die Zahl erschien mir natürlich utopisch, doch seine Zuversicht steckte mich an.
Die Trennung von Beierlein war nicht alles. Gleichzeitig organisierte ich den Umzug mit meiner Familie nach Zürich, wo es klare Steuerregelungen mit Deutschland und Österreich und damit in Zukunft Ordnung in meiner finanziellen und steuerlichen Situation gab.
Panja und ich haben im Zuge des Umzugs auch im Privatleben für klare Fronten gesorgt. Unsere Ehe war ja schon lange ein Arrangement,
aber nach außen hin hatten wir sehr lange Zeit hindurch die Illusion von der »heilen Familie« aufrechterhalten. Nun entschlossen wir uns, mit diesem Spiel aufzuhören und unsere Lebensform nicht mehr zu verleugnen: Das gemietete Haus am Zürichberg wurde zwischen Panja und mir aufgeteilt. Nur die Küche und das Eßzimmer als Zentrum benutzen wir gemeinsam. Eine neue Form des »Getrennt-Zusammenlebens«, die wir seit einiger Zeit auch vor den Medien nicht mehr verbargen.
Die Öffentlichkeit nahm mir all diese Veränderungen zunächst übel. Ich galt als »Steuerflüchtling«, und ohne das geniale Management eines Hans R. Beierlein, der in seinem Business neue Maßstäbe gesetzt und amerikanische Managementmethoden wie Marktanalysen und dergleichen als erster in Deutschland eingeführt hatte, sei es wohl endgültig vorbei mit mir und meiner Karriere. Außerdem könne ich in meinem Alter kein Symbol für die Jugend mehr sein und führe durch meine freie Ehe und Frauengeschichten ein unmoralisches Leben … Es war eine seltsame Zeit der Doppelmoral. Einerseits die vermeintlich so »freie« Jugendkultur, die man beschwor, andererseits das biedere Familienbild, dem ich nicht entsprach und nicht entsprechen wollte. Ich saß, wie so oft in meinem Leben, zwischen allen sprichwörtlichen Stühlen.
Natürlich haben mir diese Schlagzeilen, die Verurteilungen und Gerüchte zugesetzt, aber ich habe irgendwann in all dem Chaos gemerkt, daß der einzige Weg, damit umzugehen, darin lag, all die Wut, Angst und Enttäuschung zu nutzen, um das Feuer in mir wieder neu zu entfachen, und mit noch größerer Begeisterung als früher habe ich neue Lieder geschrieben. Beim Komponieren konnte ich mich am besten von all dem Ärger freimachen. Wenn ich am Klavier saß, wußte ich, wohin ich gehöre und was ich kann, und alles andere rückte in den Hintergrund. Das Ergebnis waren »Aber bitte mit Sahne«, »Mit 66 Jahren« und »Buenos Dias, Argentina«, die millionenfach verkaufte LP mit der deutschen Fußballnationalmannschaft und viele andere Lieder mehr. Sie waren die einzig richtige und sinnvolle Antwort auf die vielzitierte Lebenskrise. Wie schon bei meinem letzten Karriereeinbruch ein paar Jahre zuvor, war es also wieder meine Musik, die mich »rettete«.
Inmitten des ganzen Schlagzeilengezeters, das um mich herum herrschte, machten die neuen Lieder mich stärker denn je zuvor,
und alle Nörgeleien verstummten und machten neuen Lobgesängen auf meine »Wiederauferstehung« Platz.
Und nun stehe ich in Berlin, bin 45 Jahre alt und bin dabei, ein ganz neues Album zu produzieren und werde morgen einen ganz besonderen Titel aufnehmen, ein Lied, das ganz anders ist als alle meine bisherigen Lieder. Ein Lied, das versucht, einige Grenzen, die zwischen klassischer- und Unterhaltungsmusik herrschen, zu überwinden, ein Lied, das eigentlich mehr ist als das, das mich aber jetzt, so kurz vor der Aufnahme, auch nervös macht. Es ist ein Experiment, und morgen wird sich zeigen, ob es gelingen kann. Doch ich muß versuchen, die Unruhe in mir zu zügeln, auch weil ich meinen Eltern noch nichts von diesem Projekt erzählt habe. Ich werde sie morgen damit überraschen.
Das kleine Mädchen schlägt den Ball zu hoch. Er fliegt über die Mauer. Die Wachsoldaten im Osten verfolgen irritiert seine Flugbahn, entschließen sich dann aber offensichtlich, es zu übersehen. Eigentlich müßten sie jetzt »amtshandeln«, das Flugobjekt sicherstellen und einen Rapport schreiben. Dazu haben sie sicher keine Lust, und
Weitere Kostenlose Bücher