Der Mann mit dem roten Zylinder
es ebenfalls vor zu schweigen.
„Ich habe mit meinem Tierpark alle Hände voll zu tun. Deshalb werdet ihr euch jetzt brav entschuldigen und sehen, daß ihr nach Hause kommt!“
Jonas ist bei diesen Worten aufgesprungen. Er kann es nicht fassen, daß er so billig davonkommen soll. „Komm schon!“ zischt er seinem Bruder zu, der sich ebenfalls erhebt.
„Es tut uns leid, Herr Doktor“, wendet er sich dem Tierarzt zu.
„Na, das klingt ja nicht gerade überzeugend. Ich habe das Gefühl, daß du mir nicht glaubst?“
Ola schüttelt stumm den Kopf.
Jonas versucht mit einem eifrigen: „Doch, wir glauben Ihnen“ zu retten, was zu retten ist.
Doktor Kratt geht mit langen Schritten zur Tür, öffnet sie und sagt:
„Dort drüben müßt ihr raus.“ Und dann setzt er neugierig hinzu: „Warum seid ihr denn so wild hinter dem Zylindermann her?“
„Wegen der neuen Rennräder“, gibt Jonas gefällig Auskunft.
„Wegen der neuen Rennräder? Wie soll ich das verstehen?“
„Na, wer den Mann mit dem roten Zylinder entdeckt, bekommt tausend Dollar. Dafür können wir uns jeder ein neues Rennrad kaufen.“
„Aha“, lacht Doktor Kratt, „und da bin ich euch als das geeignete Objekt erschienen. Ich muß mir jetzt erst überlegen, ob das schmeichelhaft ist oder eine Beleidigung.“
Da entfährt es Ola. Mit gereizter Stimme offenbart er seine innere Überzeugung: „Und Sie sind doch der Mann mit dem roten Zylinder!!“
Jonas findet es besser, schnell an Ola vorbei ins Freie zu huschen. Doch Doktor Kratt lacht noch immer. „Dann geh hin, mein Sohn, und verdiene dir die Belohnung. Auf Wiedersehen.“
Sie stehen in einem gepflegten Garten.
Zwei Flamingos stolzieren majestätisch über den kurzgeschorenen Rasen. Auf dem Weiher in der Mitte des Parks gleiten hoheitsvoll drei Schwäne dahin.
„Du bist ein Feigling!“ zischt Ola seinen Bruder an. „Ich hätte nicht lockergelassen.“
„Weil du dich geirrt hast, soll ich...“ will sich Jonas zur Wehr setzen, doch Ola fällt ihm ins Wort. „Ich habe mich nicht geirrt! Ich weiß genau, daß der Mann gestern abend hier verschwunden ist.“
Wortlos schreitet Jonas dem Ausgang zu. Was soll er schon groß dazu sagen. Es stimmt ja, daß er nicht so viel Mut hatte wie Ola. Aber schließlich muß der ihm das ja nicht aufs Brot schmieren.
Und so gehen sie, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, zu ihren abgestellten Rädern. Sie haben keine Ahnung, daß Doktor Kratt in diesem Augenblick ein Telefongespräch führt, das sie, wenn sie Zeugen hätten sein können, über manches aufgeklärt hätte.
„Sind Sie es? — Sie haben mich in eine feine Situation gebracht, mein Lieber“, spricht Doktor Kratt in die Muschel.
„Drücken Sie sich bitte deutlicher aus“, kommt es zurück.
„Eben waren zwei Jungen bei mir. — Zwillinge. — Sie sagten mir auf den Kopf zu, daß ich der Mann mit dem roten Zylinder sei. Na, was sagen Sie jetzt?“
Gespannt lauscht der Tierarzt in den Hörer.
Für einen Augenblick kann er nur schweres Atmen hören. Dann kommt es überrascht:
„Aber das kann doch gar nicht möglich sein.“
„Haben Sie denn nicht bemerkt, wie Ihnen gestern nacht ein Junge nachgeschlichen ist? Er hat Sie hier in meinem Haus verschwinden sehen.“
„Ich habe nichts gesehen!“ sagt der Mann am anderen Ende und ergänzt: „Das soll mir eine Lehre bei allen weiteren Unternehmungen sein. Ich muß sofort dem Chef davon berichten. Er wird mir sehr den Kopf zurechtsetzen.“
Und das Telefongespräch ist zu Ende.
Eine dreiviertel Stunde später erreichen Jonas und Ola die elterliche Wohnung.
Was sie dort erwartet, ist alles andere als angenehm.
Erst Standpauke — dann Stubenarrest
Erik Olanson geht erregt in seinem Wohnzimmer auf und ab. Seit einer halben Stunde wartet er auf die Zwillinge, und man kann es ihm ansehen, daß die Wartezeit alles andere als beruhigend auf ihn gewirkt hat.
Zum soundsovielten Male tritt er ans Fenster, um einen Blick auf die Straße zu werfen. Und da stutzt er. — Ola und Jonas sind in Sicht.
Eine halbe Minute später bremsen sie vor dem Haus.
Erik Olanson öffnet die Zimmertür einen Spaltbreit und wartet.
Zwei, drei Minuten vergehen. Dann hört er sie kommen. Ahnungslos gehen sie dem Donnerwetter entgegen.
Als die Zwillinge gerade an der Tür des Wohnzimmers Vorbeigehen wollen, macht sie Erik Olanson auf.
Sekundenlang verharren die beiden regungslos.
„Kommt nur herein!“ Olanson sagt es in aller Ruhe. Er
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