Der Mann mit dem roten Zylinder
schließt die Tür hinter den beiden, steckt die Hände in die Hosentaschen und mustert eine Zeitlang seine Söhne.
Jonas zieht es vor, angelegentlich Vaters Schuhe zu betrachten, während Ola seinen Vater erwartungsvoll ansieht. Dabei weiß er genau, was jetzt kommt. Oh, ja, er kennt schließlich seinen Vater. Wenn er nach außen ruhig und gemessen erscheint, ist es am schlimmsten.
„Hast du auf uns gewartet, Vater?“ fragt Ola scheinheilig.
„Wo kommt ihr jetzt her?“ Olansons Stimme ist noch immer völlig unbewegt. Nur seine Backenmuskeln malen in regelmäßigem Rhythmus.
„Wir waren mit dem Fahrrad unterwegs, Vater.“
„Habe ich meine Frage nicht klar genug formuliert? Ich fragte, wo ihr herkommt!!“
Als weder Ola noch Jonas gleich antworten, kommt es laut und scharf aus Olansons Mund:
„Na, wird’s bald?“
Die Zwillinge wissen, daß es jetzt keinen Sinn mehr hat, Versteck zu spielen.
„Wir haben Doktor Kratt besucht.“
„Doktor Kratt... den Tierarzt?“
Beide nicken.
Olanson ist für einen Augenblick wirklich verdutzt. Doch dann fällt ihm sofort wieder Mister Samuel Rankfield ein.
„Wie kommt ihr zu Doktor Kratt, und was wolltet ihr von ihm?“
Da sprudelt es aus Ola heraus.
„Vater“, beginnt er wie ein Wasserfall, „Doktor Kratt ist der Mann mit dem roten Zylinder. Ich weiß es ganz genau.“
„Aber er hat es abgestritten!“ wirft Jonas schüchtern ein.
Doch Ola ist nicht zu bremsen.
„Ich habe genau gesehen, wie er in der Nacht im Haus verschwunden ist. Und wenn er es zehnmal abstreitet, er ist der Mann mit dem roten Zylinder. Er hat in...“
Olas Redefluß wird durch eine energische Handbewegung seines Vaters jäh gestoppt.
„Rede keinen Unsinn, Ola. Wer hat euch überhaupt erlaubt, in dieser Angelegenheit Nachforschungen anzustellen. Und was tust du in der Nacht auf der Straße? Rede!!“
„Ich habe Onkel Sörenson besuchen wollen. Wir wollten ihn um Rat fragen, weil wir doch herausbekommen wollten, wer der Mann mit dem roten Zylinder ist“, antwortet Ola leise.
„Ihr habt also gestern in meinem Büro gelauscht, als Mister Rankfield bei mir war.“
„Er hat ja so laut gesprochen. Trotz Ohrenzuhalten haben wir...“
„Ohrenzuhalten“, fährt ihm Olanson schneidend ins Wort. „Willst du mir weismachen, daß ihr euch die Ohren zugehalten habt?“
Beide schweigen.
Olanson fährt unerbittlich fort: „Die größte Frechheit war es, daß ihr euch sogar an Mister Rankfield persönlich gewandt habt. Wahrscheinlich werde ich von diesem Doktor Kratt auch noch einiges zu hören bekommen.“
„Aber Vater, Doktor Kratt..
„Schweig! Du, Jonas, machst natürlich alles mit, was dein sauberer Bruder ausheckt.“
„Wir wollten uns doch die tausend Dollar verdienen, Vater.“
Olanson schüttelt den Kopf. „Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich lachen. Meine Herren Söhne wollen dem Vater ins Handwerk pfuschen. — Es ist nicht zu glauben.“
Erik Olanson läuft wieder einige Male im Zimmer auf und ab.
Ola nimmt die Gelegenheit wahr, seinem Bruder aufmunternd zuzublinzeln.
Da tritt Olanson vor die beiden hin.
„Was haltet ihr von drei Tagen strengem Stubenarrest?“
Jonas kaut ergeben auf seiner Unterlippe herum. Ola dagegen beschließt, auf die Frage seines Vaters zu antworten.
„Nichts, Vater!“
„Genauso habe ich mir deine Antwort vorgestellt, mein Sohn“, wendet er sich mit einem leichten Lächeln an Ola. „Ich halte auch nichts davon!“ — Als ihn Ola daraufhin strahlend ansieht, setzt er seelenruhig hinzu: „Das wäre viel zuwenig. Dafür erhaltet ihr sechs Tage strengen Stubenarrest. Ist das klar?“
Ein stummes Nicken. Zuerst Jonas — dann Ola.
„Und Doktor Kratt werde ich auch anrufen. Schließlich muß ich mich für meine Söhne entschuldigen. Wie heißt es so schön — Eltern haften für ihre Kinder.“
An der Tür wendet sich Erik Olanson noch einmal um: „Ich werde Mutter bitten, daß sie euch mit genügend Hausarbeiten versorgt, damit ihr keine Langeweile bekommt.“
Mit lautem Knall fällt die Tür ins Schloß.
Ob die Zwillinge den Knall allerdings gehört haben, ist zweifelhaft, denn beide starren gebannt auf den Boden, wo ein leuchtendweißer Briefumschlag liegt.
Er muß ihrem Vater aus der Tasche gerutscht sein. Ola hebt ihn auf. Neugierig zieht er den Briefbogen heraus. Seine Augen weiten sich, als er den Text liest.
Mein lieber Señor Olanson!
Es tut mir leid, daß Sie durch das Angebot von Mister Rankfield
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