Der Mann mit dem roten Zylinder
auf den Gedanken gekommen seid, Señor Feruzza habe etwas mit der Sache zu tun. Aber eines will ich wissen: Was versteht ihr unter Gehorsam?“
„Es war ja nur wegen der Belohnung, Vater“, flüstert Ola.
„Jonas, hol den Rohrstock aus dem Badezimmer! Das Verlangen nach Geld hat euch die Achtung, den Anstand und den Gehorsam vergessen lassen!“
Mit gesenktem Kopf schleicht Jonas aus dem Zimmer, während Ola fieberhaft rechnet, wie viele Schläge die Sache wohl wert sein kann? Auf alle Fälle scheint es ihm vorteilhaft zu sein, wenn es ihm gelänge, diesmal seinem Bruder den Vortritt zu lassen, da sich dann die ganze Wut seines Vaters auf Jonas entladen würde, denn für die Handtucheinlage war es heute zu spät. — Armer Jonas, denkt er, die Prügel gehörten eigentlich nur mir.
Erik Olanson will aufgeben
Das Klopfen ist unüberhörbar.
Samuel Rankfield wirft einen raschen Blick zur Tür und spricht dann hastig in den Hörer:
„Ich muß leider sofort auflegen, denn ich bekomme Besuch.“
Er knallt den Hörer auf die Gabel zurück und ruft mit Stentorstimme: „Herein!“
Erik Olansons verärgertes Gesicht spricht Bände. „Schlechte Nachrichten?“ fragt Rankfield mit besorgter Stimme.
„Ich gebe Ihnen hiermit Ihren Auftrag zurück, Mister Rankfield.“
Rankfield zieht überrascht die Augenbrauen hoch. „Aber, aber! — Sie wollen aufgeben? Aus welchen Gründen denn?“
„Aus welchen Gründen?“ wiederholt Olanson Rankfields Frage mit erregter Stimme. Wenige Schritte bringen ihn zum Fenster, und mit energischen Bewegungen reißt er die beiden Flügel auf. „Aus diesen Gründen!“ Und er zeigt nach unten.
Sie beugen sich beide zum Fenster hinaus.
Verzerrt, aber trotzdem verständlich klingen die heiseren Schreie eines Zeitungsverkäufers herauf: „Stockholmer Privatdetektiv verwechselt 66jährigen Haziendero aus Rio de Janeiro mit dem Mann mit dem roten Zylinder.“
Rankfield beugt sich vor, um besser hören zu können.
„Mißgriff eines Stockholmer Privatdetektivs.“
„Wie lange blufft der Mann mit dem roten Zylinder noch eine ganze Stadt?“
Rankfield schließt das Fenster.
Beruhigend spricht er auf Olanson ein:
„Sie dramatisieren die Geschichte. Ihr Name ist nicht ein einziges Mal genannt worden. Wozu also die Aufregung?“
Olanson winkt ab. „Viele Leute wissen, daß ich für Sie arbeite, Mister Rankfield. Alles Weitere bedarf keiner allzu großen Kombinationsgabe.“
„Ich kann Sie allerdings nicht zwingen, für mich zu arbeiten, Mister Olanson. Na, vielleicht überlegen Sie sich die ganze Sache noch einmal in Ruhe.“
Und übergangslos erkundigt sich Rankfield:
„Was machen Ihre Zwillinge? Haben sie nicht inzwischen eine neue Spur?“
Olanson mustert argwöhnisch den Amerikaner. Als er jedoch nur reine Neugier in dessen Blick erkennt, antwortet er:
„Die habe ich in den Keller gesperrt. Das Maß war voll.“
„Erzählen Sie“, fordert ihn Rankfield amüsiert auf. „Ein andermal, Mister Rankfield“, lehnt Olanson ab. „Ich habe noch eine Menge anderes zu erledigen.“
„Wie Sie wollen. Auf alle Fälle können Sie Ihre Zwillinge von mir grüßen.“
Olanson verabschiedet sich und kehrt in sein Büro zurück.
Fredrik Hake ist dabei, mit mißtrauischen Blicken ein Päckchen zu mustern, das vor ihm auf dem Schreibtisch liegt.
Ein Bote hatte es vor wenigen Minuten gebracht.
Es ist an Olanson adressiert, und Fredrik kann sich des Gefühls nicht erwehren, daß es Unangenehmes in sich birgt.
Vorsichtig beginnt er, die Verschnürung zu lösen. Ein kleiner Karton kommt zum Vorschein.
Fredrik hebt den Deckel ab. —
Es sind drei Gegenstände, die uneingepackt vor ihm liegen. Eine kleine Perlentasche, wie sie von Damen fürs Theater bevorzugt werden, ein silbernes Zigarettenetui und ein Opernglas.
Einige Atemzüge lang starrt Fredrik auf die Sachen. Irgendwo im Hintergrund seines Gedächtnisses beginnt etwas zu klingeln. Noch weiß er es nicht zu deuten. Aber dann, ganz plötzlich, kommt es ihm zum Bewußtsein. In diesem Augenblick entdeckt er auch das kleine Briefchen, das zwischen Opernglas und Etui steckt.
Er hat schon die Hand danach ausgestreckt, als Erik Olanson das Büro betritt.
„Was ist denn das, Fredrik?“ fragt er sofort.
Fredrik zieht das Briefchen hervor und hält es Olanson hin.
Ohne viel Federlesens zu machen, schlitzt der Detektiv den Brief mit dem Finger auf.
In seinem Gesicht widerspiegeln sich Zorn, Anerkennung, Fassungslosigkeit
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