Der Mann mit den zwei Gesichtern
flache Hand über den Tresen auf sie zu schiebend, machte er seine Stimme noch sanfter. „Sonst mache ich so etwas ja nie ...“
„Was denn?“
Wenn es nur immer so leicht ginge! Er ließ ein scheues Lächeln in sein Gesicht. „Eine Frau um ein Date bitten.“
„Oh.“ Sie war doch tatsächlich rot geworden vor Freude.
Und noch sehr jung. Ob sie überhaupt schon achtzehn war? Minderjährige vermied er, auf Ärger konnte er liebend gern verzichten. Andererseits übte gerade ihre Naivität großen Reiz auf ihn aus. Und wenn er es geschickt anstellte ... „Gehen Sie manchmal in die Dance-Passage?“ Das war ein unverfänglicherer Rahmen, bot Auswahl für jeden Musikgeschmack – wobei sie zweifellos der Generation der nervigsten Musik angehörte, aber gut, wenn er am Ende auch noch auf seine Kosten kommen würde ... Darüber hinaus, sollte etwas schiefgehen, konnte er sich in der dortigen Unübersichtlichkeit leicht verdünnisieren.
„Da sind alle meine Lieblingsdiscos“, erklärte sie begeistert.
„Würden Sie mir also die Ehre erweisen und mich am Freitag dort treffen?“ Wie gut, dass Isabelle gerade abgesagt hatte.
„Sehr gern.“ Ihre Wangen glühten.
„Ich bin übrigens Gernot. Gernot Blohm.“ Er wartete, bis sie seine ihr hingereckte Hand ergriff, und hob fragend eine Augenbraue.
Das Telefon begann zu dudeln.
Sie machte keine Anstalten, Hand und Blick von ihm zu lösen. „Ich heiße Sophie. Sophie Tauer.“
Düdelüdelüüüü
Er verstärkte seinen Händedruck. „Ich freue mich. Sophie.“
Düdelüdelüüüü
Sie standen sich gegenüber und sahen sich in die Augen. „Ich freue mich auch.“
Düdelüdelüüüü
„Wollen Sie nicht doch lieber ...?“ Er wies besorgt auf den penetranten Apparat.
Düdelüdelüüüü
„Nein.“ Ohne Gee-Bee aus den Augen zu lassen, entzog sie ihm ihre Rechte, hob das Telefon ans Ohr und drückte auf einen Knopf. „Anwaltskanzlei Roger und Partner, Tauer, guten Tag?“
Das verschwörerische Blinzeln, das er ihr schickte, erzeugte auch in seinem eigenen Körper einen Schauer. Diese junge Frau hatte Potential, alle Achtung! Ohne sie seinerseits aus den Augen zu lassen, stieß er sich vom Tresen ab und trat ein Stück zurück. Ihre Blicke intensivst ineinander verschränkt.
Wie immer in solchen Situationen schaltete er seine Perspektive um. Ging aus sich heraus, um sich von außen zu betrachten. Sah den jungen, attraktiven, im Umgang mit jeder Frau souveränen Mann, der eine neue Eroberung an der Angel hatte. In Rekordzeit, und ohne dass er eine nötig gehabt hatte. Im Gegenteil, momentan hatte er fast zu viele ...
„Also am kommenden Montag um zehn. - Gerne. Bis dann. Tschüss.“ Sophie klickte das Gespräch weg und sah Gee-Bee auffordernd an.
Doch obwohl sie noch nicht eingeweiht war, übernahm Julia Hoffmann ihre Rolle in dem Spiel, das er ihr auf den Leib geschrieben hatte – und um dessen willen er gekommen war – perfekt. Denn genau in diesem Moment wurden Stimmen hinter einer der geschlossenen Bürotüren laut.
Es konnte natürlich sein, dass sie Lunte gerochen hatte, als er sich bei ihrem letzten Rendezvous so ausgiebig für ihren Terminkalender – und den ihrer Anwaltskollegen – interessiert hatte. Aber selbst wenn sie tatsächlich etwas ahnte und in dem Fall garantiert schon die ganze Zeit in gespannter Erwartung ... Hui, auch das hatte etwas!
Dienstbeflissen war Sophie aufgesprungen, hatte sich ein Formular aus einem der Ablagekörbe hinter ihr geschnappt und sich eilig darangemacht, irgendwelche Kürzel einzutragen. Während Gee-Bee in den Wartebereich schlenderte, eine Zeitschrift griff und sich – die Beine lässig übereinanderschlagend – niederließ.
Da ging auch schon die Tür auf. Ein älterer Mann trat in den Flur, gefolgt von Julia. Und dass sie Gee-Bee in derselben Sekunde wahrnahm – kaum sichtbar zusammenzuckte – bewies zweifelsfrei: Sie war die richtige Besetzung in seinem heutigen Spiel. Wie souverän sie nun jedwede weitere verräterische Reaktion aus ihrem Gesicht hielt! Wow, das turnte ihn einfach ungemein an!
Julia Hoffmann vereinte wirklich alle Vorzüge, die er an Frauen am meisten schätzte. Erstens war sie in ihrem Job ziemlich erfolgreich, das hieß: finanziell gut situiert. Und sie verbrachte mehr Zeit bei der Arbeit, als sie zur Verfügung hatte, das Geld wieder auszugeben; ein Umstand, der den Wert des Geldes für sie relativierte und sie in dieser Hinsicht überaus großzügig machte.
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