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Der Mann mit den zwei Gesichtern

Der Mann mit den zwei Gesichtern

Titel: Der Mann mit den zwei Gesichtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runa Winacht , Maria G. Noel
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kleine Vorgarten war völlig verwildert. Eigentlich sprach nur die Tatsache, dass in den Fenstern Vorhänge hingen und Zimmerpflanzen darin standen dafür, dass überhaupt jemand hier lebte.  
    Franziska, die einen Moment vor dem Haus stehen geblieben war, um es zu betrachten, konnte sich Gerd hier nicht vorstellen. Nicht in einem so heruntergekommenen Haus.
    Nichtsdestotrotz, es war die letzte Möglichkeit.
    G. Bauer stand auch an der Haustür. Franziska klingelte, wartete eine Weile und klingelte nochmals.
    Niemand öffnete. Nun ja, auf ihren Anruf vor einigen Minuten hatte schließlich auch niemand reagiert. Wer auch immer in diesem Haus lebte, war zurzeit nicht da.
    Sie ging zum Auto zurück und beugte sich zu Andrea, die wieder hinter dem Steuer saß: „Ich warte hier.“
    Andrea nickte ergeben.
    „Du kannst ja in dieser Zeit irgendwo etwas essen“, fuhr Franziska fort.
    „Du glaubst wirklich, dass ich dich jetzt allein lasse?“
    „Ich glaube nicht, ich will“, antwortete Franziska.
    Hier mochte es aussehen, wie es wollte, Gerd würde hier wohnen. Und irgendwann auch zurückkehren. Und so lange würde sie hier warten.
    „Und wenn derjenige, der hier lebt, erst in drei Tagen wiederkommt?“, sprach Andrea Franziskas geheime Befürchtung aus.
    „Dann warte ich eben drei Tage lang“, antwortete Franziska. „Schließlich kann ich genauso gut mit dem Zug nach Hause fahren.“
    „Also gut“, nickte Andrea. „Ich besorge uns ein Mittagessen. Mal sehen, ob ich irgendwo einen Laden finde.“
    Franziska sah ihr nach, wie sie davonfuhr. Dann wandte sie sich wieder dem Haus zu. Hier also. Hier lebte der Mann, in den sie verliebt war, der Vater ihres Kindes. Eigenartige Umgebung für einen Mann wie ihn. Alles hier wirkte so – dörflich, so bieder. Die Vorhänge zum Beispiel. Ältere Menschen hatten oft noch solche Gardinen, die lang und gerade das ganze Fenster bedeckten. Und Grünlilien und Callas als Zimmerpflanzen, in mit rosa Rosen verzierten Übertöpfen.
    Franziska trat näher an das Haus heran und versuchte an den Vorhängen vorbei einen Blick ins Zimmer zu erhaschen. Einen altmodischen Röhrenfernseher konnte sie an der gegenüberliegenden Wand entdecken, der auf einem kleinen Tischchen stand. Mit Spitzendeckchen. Dazu ein Sofa mit Blümchenmuster, das noch aus den Fünfzigern stammen musste. Auf dem Sofa lag ein Strickzeug.
    Franziska ging zum Gehweg zurück und betrachtete das Haus erneut. Konnte hier Gerhard leben – mit seiner Mutter?
    Sie sah die Straße hinauf und hinunter. Dafür, dass sie Hauptstraße hieß, war sie sehr still. Nun ja, der Ort lag schließlich fernab. Weit weg von den großen Verbindungsstraßen und wie alles hier – mitten im Wald. Doch als sich Franziska umsah, konnte sie im Hintergrund die Berge sehen. Nicht die ganz hohen, schroffen, sondern bewaldete, fast sanfte Bergkuppen.
    Franziska setzte sich auf den Bordstein. Jetzt hieß es nur noch warten. Warten – und beobachten.
    Ein gelbes Auto fuhr vorbei, dann ein silbriges. Und nach ein paar Minuten ein schwarzes. Sie beschloss, die Wagen zu zählen, bis entweder Andrea wiederkam oder derjenige, der in dem Haus hinter ihr lebte.
    Vierzehn Autos, drei Fahrradfahrer, fünf Fußgänger und eine gefühlte Ewigkeit später sah sie ihn, Gerd. Da vorn kam er den Gehweg entlang. Zu Fuß.
    Franziska stand auf und blickte ihm entgegen. Das war leicht gegangen, sie wartete erst ungefähr zwanzig Minuten. Ihr Herz sah das anders und begann zu rasen. Jetzt gleich würde sie wissen, ob sie ... Sie kniff die Augen zusammen: War er das wirklich, der da mit federndem Gang auf sie zukam?
    Die Figur, die Bewegungen, auch die Kleidung stimmten. Aber da war noch mehr, und das blieb fremd. Schließlich konnte sie das Gesicht genau sehen. Er war es nicht. Ihr Magen machte einen enttäuschten Purzelbaum. Dieser Mann, obwohl blond und groß, war ein gutes Stück jünger als Gerd. Fast noch ein Junge.
    Enttäuscht, dennoch mit leicht zittrigen Knien ging Franziska zu ihrem Platz am Bordstein zurück und zählte weiter.
    Autos, Fußgänger, Fahrradfahrer. Ab und zu ein Lastkraftwagen oder ein Motorrad. Zur Abwechslung.
    Kein Gerd.
    „Kann ich Ihnen helfen?“
    Franziska fuhr zu der alten Frau herum, die hinter ihr stehen geblieben war. „Äh ... nein. Ich warte hier nur auf jemanden.“
    Die Frau nickte freundlich – und ging auf das Haus zu.
    „Entschuldigen Sie“, Franziska war schon auf den Beinen und lief der Frau hinterher. „Leben Sie

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