Der Mann mit den zwei Gesichtern
seufzte. Nein, sie trauerte noch immer um den Vater ihres Kindes – und ihn, Tom, sah sie lediglich als Freund. Auch daran hatte sich nichts geändert. Das, was sich geändert hatte, war seine eigene Einstellung dazu.
Die Tatsache ihrer Schwangerschaft hatte er sehr wohl erst einmal verdauen müssen. Aber dann, als er Franziska all die Zeit so unglücklich erlebt hatte ...
War es nur das Bedürfnis, derjenige zu sein, der sie tröstete? Sich um sie kümmerte? Der sie – in einem anderen Rahmen, dort jedoch sehr effektiv – glücklich machen konnte?
Naja, glücklich war wohl zu viel gesagt. Aber er war imstande, sie zum Lächeln zu bringen. Dazu, sich zu freuen. Ihn gerührt anzusehen. Ihren Kopf für einen kurzen Moment an seine Schulter zu legen.
Freundschaft, das war es wohl. Das einzige zumindest, was Franziska von ihm wollte. Aber selbst wenn es nur das bleiben würde – er genoss es. Er war gern mit ihr zusammen. Auch einfach so.
Nun ja. Er zog eine Grimasse, als eine Ampel extra für ihn auf Rot umschlug. Er wollte ehrlich zu sich sein. Natürlich würde er Franziska auch in weiterführender Hinsicht nicht abweisen. Und wer konnte es sagen? Ob sie nicht vielleicht doch ...? Jetzt, wo sie auch an ihr Kind denken musste?
„Na, wer sagt's denn?“ Ein Parkplatz direkt vor ihrer Haustür.
Schwungvoll stieg er aus dem Auto, schnappte sich die Blumen und das verpackte Smart-Phone vom Beifahrersitz und machte sich auf den Weg in Franziskas Wohnung.
Es dauerte einen Moment, ehe Tom realisierte, dass er Franziska anstarrte. „Äh ... Wunderschön siehst du aus.“
Das war die Wahrheit. Wie sie dastand, geschminkt und mit dieser ungewohnten Hochsteckfrisur, einige Locken auf ihre zarten Schultern herabrieselnd. In einem eleganten Kleid, schwarz und eng, kein bisschen schwanger. Und ihre Beine ... Noch länger als sonst, er hatte sie noch nie in hohen Schuhen gesehen.
Und sie lachte. Den Kopf schief gelegt. Verlegen. Aber auch geschmeichelt. Strahlend , schoss ihm durch den Kopf. Heute Abend strahlte sie. Nicht vor Glück, das sicher nicht. Aber sie empfand diesen Tag als schön. Und sie wollte ihn mit ihm, Tom, teilen.
„Sie ist eine Schönheit, gell?“ Andrea war im Türrahmen erschienen und maß ihre Freundin mit einem liebevoll bewundernden Blick. Tom lächelte ihr zu. Liebte sie Franziska ebenso sehr wie er? Und im Gegensatz zu ihm durfte sie ihr den Arm um die Schulter legen, wann immer ihr danach war.
Wobei - heute Abend durfte er das auch.
Er drückte Andrea die Blumen in die Hand und legte das Päckchen auf den Schuhschrank.
„Darf ich bitten?“ fragte er, einen Diener andeutend.
Franziska lächelte. Nickte. Und ergriff seinen ihr entgegengestreckten Arm.
„Nicht so hastig.“ Andrea war ihnen in den Weg getreten, den Rosenstrauß im Arm. „Nun, Franziska, wirst du zuerst einen ausführlichen Blick auf diese wunderschönen roten Rosen werfen. Siebenundzwanzig, nehme ich an?“ Sie warf Tom ein spitzbübisches Lächeln zu. „Und das Geschenk? Willst du nicht gucken, was es ist?“
„Wir nehmen es mit“, entschied er. „Du kannst es im Auto auspacken. Nicht dass wir noch zu spät kommen.“
Die Widerspenstige zähmt sich
Franziska sah zu Tom, der rechts von ihr Platz genommen hatte. Schmuck sah er aus in seinem dunklen Anzug mit dem hellen Hemd und der farblich darauf abgestimmten Krawatte.
Er passte mit seiner festlichen Kleidung wunderbar in dieses reich ausgestattete Theater.
„Darf ich mal?“, fragte sie und deutete auf das Programmheft in seiner Hand.
Tom lächelte, nickte und reichte es ihr. „Aber gerne, schöne Frau.“
Sprach so ein bloßer Freund? Franziska war sich zuweilen nicht sicher, wie sie Tom einschätzen sollte. Er hielt sich zurück, war kameradschaftlich und signalisierte ihr in keiner Weise, dass er mehr wollte als ihre Freundschaft. Hatte er die Hoffnung aufgegeben?
In den letzten Wochen war er sehr dezent gewesen, zurückhaltend. Aber immer präsent. Und stets bereit, ihr auf die eine oder andere Weise entgegenzukommen. Sei es eine Dienstplanänderung, weil sie einen anderen Termin hatte, sei es bei der Patientenzuteilung. Komplizierte Patienten, die nur mit reichlich Körpereinsatz zu behandeln waren und solche, die eventuell eine ansteckende Krankheit haben könnten, hielt er von vornherein von ihr fern.
Eigentlich ein Traumzustand. Jede Frau mit einem solchen Mann an der Seite konnte sich glücklich schätzen. Sie jedoch
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