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Der Mann mit den zwei Gesichtern

Der Mann mit den zwei Gesichtern

Titel: Der Mann mit den zwei Gesichtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runa Winacht , Maria G. Noel
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trauerte immer noch. Einem Hirngespinst nach, denn mehr schien ihr die kurze Episode mit Gerd nicht mehr zu sein. Dass sie ihn als ihren Traummann empfunden hatte, war lange her. Jetzt war er nur noch eine Erinnerung. In unruhigen Nächten allerdings eine recht lebhafte. Doch wenn Tom an ihrer Seite weilte, rückte das alles in weite Entfernung.
    Franziska schlug das Programmheft auf: Der Widerspenstigen Zähmung von Shakespeare. Die Verfilmung hatte Franziska schon im Fernsehen gesehen. Ohne sich genau erinnern zu können, wusste sie noch, es ging um eine Frau, die den ihr bestimmten Mann nicht wollte – und von ihm erst überzeugt werden musste. Ihr hatte der Film damals gefallen. Jetzt aber fragte sie sich, ob Andrea hier nicht eine Verbindung zu ihr und Tom ... Du siehst Gespenster, wo keine sind, mahnte sie sich und betrachtete das Bild von dem Schauspieler, der auf der Bühne jetzt gleich Petruchio, den Zähmer spielen würde. Hatte der nicht Ähnlichkeit mit Tom? Zumindest hatte er ebenso dunkle Haare.  
    „Wann warst du das letzte Mal im Theater?“, fragte Tom und beugte sich zu ihr. „Ich finde die Atmosphäre hier recht aufregend.“
    „Das ist schon ein paar Jahre her.“ Franziska lächelte und sah sich um. Ja, es war an- und aufregend hier. Überall raschelten edle Kleider, es wurde getuschelt und gelacht, Füße scharrten. Anspannung lag in der Luft.
    Es gongte zum dritten Mal. Gleich würde sich der Vorhang öffnen. Es wurde hör- und spürbar ruhig im Zuschauerraum.
    Tom wandte sich der Bühne zu. Franziska betrachtete ihn von der Seite. Im Grunde war er die Idealbesetzung für einen Mann. Gut aussehend, großmütig, großzügig.
    Ob sie Andrea wirklich Glauben schenken konnte, wenn die behauptete, dass sie sich Tom endgültig aus dem Kopf geschlagen habe?
    In den letzten Wochen hatte Franziska viel nachgedacht. Über ihre Situation und über ihre Gefühle. Sie war schwanger – ohne den Vater ihres Kindes zu kennen. Das war die eine Seite. Aber da gab es ja noch Tom. Der sie wollte, auch wenn er sich im Moment sehr darum bemühte, ihr genau das nicht zu zeigen. Doch der üppige Rosenstrauß, den er ihr heute geschenkt hatte und ein I-Phone, das er ihr mit den Worten: „So was hat man nun. Dein altmodisches Handy hat ausgedient“, überreicht hatte, sprachen da doch eine ganz andere Sprache.
    Zu ihrer Verwunderung hatte Franziska in den letzten Tagen nämlich bemerkt, dass ihre Gefühle zu wanken begonnen hatten. Sowohl die für Tom als auch die für Gerd.
    Der Vorhang ging auf.
    Franziska klatschte automatisch mit, als der Begrüßungsapplaus begann.
    Auf der Bühne war ein Wirtshaus aufgebaut, einer Taverne ähnlich. Franziska lauschte den ersten Worten:
    „Ich will Euch zwiebeln, mein 'Seel'“, sprach der offensichtlich betrunkene Gast.
    „Fußschellen für dich, du Lump“, erwiderte die Wirtin und machte eine wütende Handbewegung in Richtung des Mannes.
    Ein Lump. Ja, das war das richtige Wort. Gerd mochte ihre Nachricht nach jener Nacht im August nicht erhalten haben. Aber er hatte sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit falschem Namen eingetragen. Franziska hatte nämlich im Verlauf der nächsten Wochen sämtliche Gerd Bauers aus den an Oberrain angrenzenden Landkreisen herausgesucht und angerufen. Sie hatte gefahndet und geforscht, hatte aber keinen Hinweis auf den Mann finden können, mit dem sie die Nacht dort im Landhotel Huber verbracht hatte. Inzwischen hatte sie akzeptiert, dass sie Gerd niemals mehr wiedersehen würde. Tom jedoch mit seiner ruhigen Beständigkeit, mit seiner Zuverlässigkeit und Treue, der hier direkt neben ihr saß ...  
    Die Leute ringsum klatschten. Franziska schreckte aus ihren Gedanken auf, sah, dass sich die Bühne drehte für die nächste Szene. Die Gemächer eines Schlosses.
    Tom wandte ihr das Gesicht zu, lächelte. Sie nickte, klatschte mit und lächelte zurück. Da ging es auf der Bühne auch schon weiter. Franziska setzte sich ein wenig aufrechter hin und sah nach vorn. Sie sollte sich jetzt wirklich besser auf das Theaterstück konzentrieren.
    Sie lauschte, lachte, klatschte und genoss. Wunderbare Schauspieler, die auf der Bühne alles gaben. Und die Sprache Shakespeares. Franziska hatte ganz vergessen, dass sie die altmodische Ausdrucksweise so gerne mochte.
     
    „Nur meine Schmach. Ich bin, seht doch, gezwungen,
    Die Hand zu reichen, meinem Sinn entgegen,
    Dem tollen Grobian, halb verrückt von Launen,
    Der eilig freit und langsam Hochzeit

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