Der Mann mit den zwei Gesichtern
und bereit war, ihn anzuhören – das konnte einfach nicht 'zu spät' bedeuten, es musste möglich sein, doch noch alles gut zu machen, er musste nur ...
Zurück wich er. Die soeben noch in ihm sprudelnde Hoffnung jäh gedeckelt. Angesichts - des anderen Mannes.
Dunkel und gutaussehend, aber auf eine ruhige, seriöse Art, mit der Aura selbstverständlich verinnerlichter Macht. Ihr Chefarzt? Der neue Mann in Franziskas Leben? Welcher ihn, Gerhard mit dem Fluch seiner flatterhaften Gene, ersetzen sollte?
Gerhard hatte aufgehört zu atmen, als dieser Mann neben einer weiteren jungen Frau im Türrahmen hinter Franziska erschienen war.
Würde er sich wieder einmischen? Hatte er das Recht dazu? Würde Franziska ihm dieses Recht einräumen? Sich gar an seine Seite stellen und Gerhard - für immer wegschicken?
Alles in ihm erstarrte, als der Mann seinen Arm nach Franziska ausstreckte, um ihn ihr besitzergreifend um die Schultern zu legen ...
Oh, sie machte sich los! Sie hatte den Anderen vor einem Rivalen demonstrativ zurückgewiesen! Um sich ihm, Gerhard, zuzuwenden. Die Hoffnung in seiner Brust wuchs sich zu einer wahren Springflut aus. Er spannte den Bauch an, um das Frohlocken innen zu halten, und fragte mit fester Stimme: „Wirst du dir anhören, was ich zu sagen habe?“
Franziska zögerte trotz allem noch einen Wimpernschlag lang – wandte sich dann aber um und machte den beiden anderen ein Zeichen.
Woraufhin die zweite Frau den Dunklen am Arm fasste – der sträubte sich zwar – doch sie zog unerbittlich, zog ihn mit sich, ins Innere der Wohnung.
Franziska blieb. Hier bei ihm. Allein. Weil sie ihm glauben wollte, weil er sie dazu bringen konnte, das zu tun, da war er sich jetzt ganz sicher.
„Es ist wahr, im Gasthof habe ich mich unter falschem Namen eingetragen“, begann er dann. „Aber das hatte nichts mit dir zu tun, sondern alleinig mit meinem Zwillingsbruder. Gilbert. Du hast selbst erlebt, wie ähnlich er mir sieht.“
Franziska blieb und hörte ihm zu.
Ermutigt fuhr er fort: „Gilbert ist ein Frauenheld und auf Geld aus. Er sucht sich vermögende Frauen, verspricht ihnen alles, was sie hören wollen, lässt sich aushalten. Und hat logischerweise ständig mit der Polizei zu tun. Auch heute. Eine seiner Verflossenen hatte ihn angezeigt, deshalb ist er wieder einmal festgenommen worden. Er hat mich angerufen. Ich bin es, der ihm in solchen Momenten einen Anwalt besorgt, der sich anhört, was er zu erzählen hat. Immer hat es mich bisher angeekelt. Aber heute ...“ Er brach ab, musste noch einmal tief durchatmen. „Heute hat er mir verkündet, dass er mich vor einer Vaterschaftsklage gerettet habe. Ich wusste erst gar nicht, wovon der spricht. Erst danach hat er mir von eurem Treffen im Theater erzählt, von deinem Namen. Ein Blick ins Telefonbuch, und ich wusste endlich, wo du wohnst.“
Franziska hatte zu nicken begonnen und noch nicht aufgehört.
Gerhard strahlte sie an.
Da fiel es ihm ein. Warum hatte er nicht sofort daran gedacht? Hektisch kramte er sein Portemonnaie hervor und zog das Foto heraus, das ihn neben Gilbert zeigte. „Siehst du? Er sieht aus wie ich.“
Franziska betrachtete das Bild in seiner Hand.
Dann sah sie zu ihm auf – und lächelte! Zaghaft und noch immer nicht ganz sicher. Aber sie lächelte ihn an.
Ein wahrer Glücksstrahl schoss aus ihm heraus und explodierte über ihnen beiden wie ein Feuerwerk. Gerhard musste tief einatmen, um nicht zu schwanken. „Ich ...“, bin so froh , unterdrückte er lieber noch. Es fehlten doch noch so viele Erklärungen. „Gilbert ist wie ein Fluch für mich“, begann er stattdessen. „Schon immer, seit wir Kinder waren. Wir sehen uns so verteufelt ähnlich, dass alle automatisch davon ausgehen, wir wären auch innen identisch. Aber das sind wir nicht. Im Gegenteil. Ich verabscheue die Art, wie er lebt, wie er seine Mitmenschen behandelt. Wie er unsere ansehnliche Fassade ausnutzt, um die Frauen um den Finger zu wickeln. Du hast es erlebt. Er hatte dich noch nie gesehen ...“
„... und hätte mich geheiratet?“ Fassungslos.
Ja, es war nicht zu fassen! Gerhard stieß ein freudloses Lachen aus. „Da bist du allerdings die Erste gewesen, bisher hat er einen Riesenbogen um jedwede Verpflichtung einer Frau gegenüber gemacht und sie fallenlassen, sobald eine ernstere Absichten entwickelte.“
„Und das nur, weil ich diesen dämlichen Adelstitel habe?“
„Und Geld.“
„Ich habe keines, Gerd...hard.“
Gerd,
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