Der Mann mit den zwei Gesichtern
sag Gerd, ich mag das. Aber darum ging es doch jetzt gar nicht. Er winkte ab. „Ich will nicht dein Geld, und es ist mir egal, wie du heißt. Ich will ...“
Ihre Augen kamen in seine. Ja? – Ausgesprochen hatte sie das nicht.
Ich will dich! „Ich will dich kennenlernen. Ich will der Vater deines Kindes sein. Ich will für dich da sein, wenn du das willst. Für dich und unser Kind sorgen. Ich will ...“ Er verstummte. Verzweifelt, weil all das so wenig war, das war doch viel zu wenig!
Dann jedoch stockte ihm erneut der Atem – als Franziska auf einmal die Arme nach ihm ausstreckte.
*
Eine lange Weile bestand die Welt alleinig aus Glück. Aus Gerd und ihr und Glück. Und auch als sie aufschreckte, weil hinter ihnen Stimmen zu hören waren, ließ er sie nicht los.
„Wir gehen“, verkündete Andrea, und ihr Gesicht leuchtete dabei. „Erst mal nur ums Eck in die Gaststätte dort. Ein Bier trinken, auf diesen Schrecken hin. Und damit wir in der Nähe sind ..“, sie warf einen kurzen Blick auf Gerd, „... wenn du uns noch mal brauchen solltest.“
Ihr Gesicht jedoch strafte diese Worte Lügen. Sie wirkte genauso zuversichtlich wie Franziska selbst und schien sicher, dass der Rest des Abends Tom und ihr gehören würde.
Tom, der neben ihr stand und ebenfalls grinste. Sein ganzes Unglück, eine Frau zu lieben, die ihn nicht wieder liebte, schien plötzlich von ihm abgefallen zu sein. Er wirkte entspannt, wie er so neben Andrea stand. Und das tat Franziska fast so wohl, wie Gerds Arme um sie. Hatten die beiden sich jetzt doch gefunden? Sie wünschte es ihnen von Herzen.
Doch sie hatte jetzt anderes zu tun. Sie wandte ihren Kopf zu Gerd und bemühte sich um ein strenges Gesicht: „Dir ist schon klar, dass du mir noch ganz viel erzählen musst.“
„Du mir aber auch“, erwiderte er.
Seine Augen folgten Andrea und Tom, die eng nebeneinander die Treppen hinabstiegen.
„Glaub bloß nicht, dass du mich danach so schnell wieder loswirst“, sagte er zu Franziska und brachte sein Gesicht nahe an das ihre heran.
Franziska zögerte kurz, ehe sie zurückwich. Das ging ihr jetzt doch ein wenig zu schnell. Nach all den Wochen ... „Wir kennen uns doch noch gar nicht.“ Wobei das so ja auch nicht stimmte. „Also, fast gar nicht.“
Gerd war ganz ernst geworden. „Du hast völlig recht. Wir müssen miteinander reden, ganz viel. Lass uns gleich damit anfangen.“
Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Gerd auf die Couch, Franziska auf einen der Sessel. Sicherheitshalber. Sie sah den Mann an, nach dem sie sich so gesehnt hatte. Stimmten ihre Sehnsucht und die Realität überein oder hatte sie sich in eine Illusion vom perfekten Partner verrannt?
Das Aussehen zumindest deckte sich sehr mit ihrer Erinnerung. Allerdings auch mit der sehr nahen Erinnerung an Gilbert. Verdammt, eineiige Zwillinge. Das musste ja ausgerechnet ihr passieren, oder?
Noch ehe sie sich ganz gesammelt hatte, beugte sich Gerd nach vorn und sah ihr direkt in die Augen. „Warum hast du ebenfalls deinen Namen geändert? Ich hab nämlich nach dir gesucht, nachdem du dich klammheimlich vom Acker gemacht hattest.“
„So war das gar nicht“, widersprach Franziska, stand auf und ging an ihren Schreibtisch, um den Zettel zu holen. „Diese Nachricht hatte ich dir hinterlassen. Ich war später nämlich nochmal dort, im Hotel. Da haben die mir meinen Zettel zurückgegeben. Sie hatten ihn im Vorhang gefunden.“
Gerd las, schüttelte den Kopf. „Mir will scheinen, als wären da mehrere blöde Zufälle zusammengekommen.“ Doch plötzlich lächelte er. „Wir haben einander gesucht, das ist doch gut.“
Ja, das war gut. Für sie beide hatte es nicht nach einer Nacht zu Ende sein sollen. Franziska fühlte sich leichter, Gerd etwas näher. „Erzähl weiter“, forderte sie ihn auf.
Gerd lehnte sich zurück, entspannter jetzt. „Noch am Freitagvormittag war ich in der Marienklinik, hab die Sekretärinnen befragt. Doch beide hatten am Vortag freigehabt, hatten dich also nicht gesehen, konnten mir lediglich sagen, dass sich Professor Schultheiß für einen männlichen Assistenten entschieden hatte, ehe er noch am Vorabend zu einer Vortragsreise aufgebrochen war. Es war wie verhext. Niemand konnte mir helfen. Es gab nur noch die bereits fertigen Briefe mit den Absagen. Mindestens fünfzehn. Ich hab die Sekretärinnen bekniet sie mir zu geben, die Absage an dich musste ja auch dabei sein. Doch sie haben sich geweigert, das dürften sie
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