Der Mann mit den zwei Gesichtern
Sie ihm Geld geschenkt oder geliehen? Schmuck? Pelze? Aktien oder andere Wertpapiere?“
„Nein, nein, nein.“ Wieder wurde Franziska von wildem Schluchzen geschüttelt. „Nichts davon, gar nichts. Er hat mir nur geholfen.“
„Hrm“, machte die Polizistin und traktierte erneut ihre Tastatur.
Erst geholfen, dann geschwängert – sagte sie zwar nicht. Dennoch, Franziska hörte aus jedem Klack die Missbilligung über diesen Umstand heraus.
„Sie wissen, dass Sie von Glück reden können, dass er Sie nicht auch noch finanziell ausgenommen hat, Frau ... Gräfin Schwan-Neuenfels . Ihr Adelstitel, ihr Name, auf so etwas sind diese Burschen aus.“
„Dazu hatte er gar keine Gelegenheit. Er hat meinen Namen heute zum ersten Mal gehört.“ Jetzt war eh schon alles egal. Also weiter: „Wir hatten uns nach der Autopanne aus den Augen verloren und erst heute wiedergetroffen.“
„Sie sind ein fetter Braten, der dem werten Herrn da entgangen ist.“ Die Polizistin wies mit dem Kinn in Richtung Tür.
In Franziska zog sich alles zusammen. Wie hatte sie sich so dermaßen täuschen können? Ihre große Liebe, der sie monatelang nachgetrauert hatte – hatte sich als Heiratsschwindler entpuppt. Dass Gerd so galant gewesen war, so einfühlsam und zuvorkommend, war nur Masche gewesen. Ein Mann mit zwei Gesichtern!
Im Stillen beschloss Franziska, lieber nichts von der Sterilisation zu erzählen. In den Augen der Polizeibeamtin war sie ohnedies bereits ein Flittchen.
Jetzt im Nachhinein machte das merkwürdige Gebaren durchaus Sinn, das Gerd im Lokal an den Tag gelegt hatte. Gegen einen Adelstitel und eine Burg hätte er mit Sicherheit nichts einzuwenden gehabt. Wahrscheinlich hätte er sie dann sogar schwanger genommen. Aber nachdem sie in ihrem Übereifer von Erbverzicht gesprochen hatte ...
„Sie füllen mir das hier bitte aus, wir brauchen Ihre Daten.“ Die Polizistin klatschte ein Formular vor Franziska auf den Tisch. „Danach unterschreiben Sie noch das Protokoll, dann können Sie gehen.“ Nach einem kritischen Blick in Franziskas völlig verheultes Gesicht fügte sie hinzu: „Allerdings würde ich Ihnen in dieser Verfassung nicht raten, zu Fuß zu gehen oder mit dem Bus zu fahren. Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?“
Forschung steril
Franziska weinte laut ins Telefon. „Andrea. Gerd heißt eigentlich Gabriel ...“ Erst dann fiel ihr ein, dass auch dieser Name gelogen war, Gilbert Buxeder hieß er eigentlich. „Ach, egal. Jedenfalls ist er ein Heiratsschwindler und wegen Betrugs festgenommen worden. Mich hat die Polizei auch gleich mitgenommen, ich musste eine Aussage machen. Die halten mich jetzt für ein Flittchen, weil ich von dem Typ schwanger bin, aber haben mich wenigstens wieder gehen lassen.“
Andrea sog geräuschvoll Luft ein, antwortete jedoch nicht. Sie musste entsetzt sein. Dabei hatte Franziska das Allerschlimmste noch gar nicht erzählt. „Da ist noch etwas“, begann sie vorsichtig und wartete erst einmal Andreas Reaktion ab.
„Etwas noch Schlimmeres, als dass der Kerl ein Verbrecher ist?“, fragte Andrea.
Wie zur Antwort schluchzte Franziska wieder los. „Viel, viel schlimmer.“ Sie atmete ein paarmal tief durch, ehe sie das volle Ausmaß der Katastrophe, die sich über sie ergossen hatte, in Wort fassen konnte, und begann dann mit brüchiger Stimme: „Er hat sich sterilisieren lassen, kann also nicht der Vater meines Kindes sein. Dabei habe mit keinem andern Mann geschlafen, das schwöre ich!“ Ihr Schluchzen wurde so heftig, dass sie kein weiteres Wort mehr herausbrachte. Was angesichts des Schweigens am anderen Ende freilich nichts ausmachte.
Andrea, die doch sonst immer etwas zu sagen hatte, schien es nun ebenfalls die Sprache verschlagen zu haben. Und so dauerte es eine ganze Weile, ehe sie wieder sprach: „Liebes, natürlich glaube ich dir. Reg dich bitte nicht so auf, das ist nicht gut für das Baby. Ich komme zu dir, in zehn Minuten bin ich da.“ Sie schwieg einen Moment, wie um sich zu sortieren. „Am besten wird sein, ich bringe Tom auch gleich mit.“
„Tom? Oh bitte ruf ihn nicht an.“ Franziska weinte auf. „Ich glaube nicht, dass ich den jetzt auch noch ertragen kann.“
Doch da hatte sie ihre Rechnung ohne Andrea gemacht: „Jetzt stell dich nicht so an. Sicher, du hast ihn verletzt, trotzdem wird er dich nicht fressen.“
Nein, fressen würde er sie nicht. Eher umbringen. Immerhin hatte Franziska ihn heute Abend mehr als schlecht
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