Der Mann mit der dunklen Maske
Verlobung anzusprechen. Mit welchem Recht hatte er so etwas Absurdes verkündet? Es wäre so einfach, darüber zu sprechen. So viele Dinge könnten im Gespräch gelöst werden. Doch sie war sich nicht sicher, ob sie die Wahrheit hören wollte.
„Danke, dass du zugestimmt hast, Alex hierher zu bringen“, sagte sie stattdessen ein wenig steif. Ihre Stimme klang unecht, besonders wenn man bedachte, dass sie nackt neben ihm im Bett lag. Sir John war morgen bestimmt im Museum. Das hatte er jedenfalls angekündigt, und sie beabsichtigte, auch dort zu sein.
„Camille, im Ernst …“
„Im Ernst, ich bin erschöpft“, murmelte sie. „Unterbrich dein Spiel für heute, ich bitte dich.“
Er verstummte. Im Moment wollte sie jedes weitere Gespräch vermeiden, jeden Gedanken an die Zukunft, also berührte sie ihn sanft.
Er nahm sie in die Arme. „Ich dachte, du bist erschöpft?“
„Zu müde, um zu streiten“, erklärte sie. „Wir streiten viel zu leicht.“ Er drehte sich herum, sah sie an und streichelte ihr Gesicht. „Ach, meine liebe Miss Montgomery, ich fürchte, ich finde es viel leichter,
nicht
zu streiten.“
Er hatte Recht. Denn als er sie berührte, lösten sich alle Fragen auf. Sie dachte nicht länger an die Zukunft, an dieses Kind, das bei den Schwestern lebte, an die Scharade, die er spielte.
Es gab nichts mehr als den Augenblick.
15. KAPITEL
N atürlich standen die Ereignisse im Museum auf den Titelseiten sämtlicher Zeitungen. Und natürlich wurde auch das Gerede über den Fluch wieder neu entfacht. Jeder Reporter wies genüsslich darauf hin, dass sich der Schlangenbiss kurz nach Lord Stirlings Rückkehr in die Gesellschaft ereignet hatte, bei der er seine Verlobung verkündet hatte. Mit einer Bürgerlichen. Einer Angestellten des Museums.
Bisher sagte keiner der Artikel etwas über Camilles Herkunft. Die Reporter waren viel zu sehr damit beschäftigt, über den Fluch zu spekulieren. Alle Artikel erwähnten, dass er und seine Verlobte sich jetzt um das Opfer kümmerten. Die Blätter lobten Alex Middleman für seinen Mut und fügten hinzu, dass der junge Mann zurzeit verzweifelt um sein Leben kämpfte.
Brian hatte die Meldungen gerade zu Ende gelesen, als Shelby in den Wintergarten kam und ihm mitteilte, dass Sir Tristan darum gebeten hatte, ihn einen Moment sprechen zu dürfen. Überrascht fragte er sich, warum der Mann nicht einfach zu ihm kam.
Später in Tristans Zimmer dann war er von der Logik des Mannes beeindruckt. „Ich wollte nicht durchs Schloss laufen und zu gesund aussehen“, erklärte er Brian. „Camille ist doch heute Morgen hier, oder?“
„Ich glaube, sie wird den Tag damit verbringen, sich um Alex zu kümmern, ja.“
Tristan nickte. „Nun, ich dachte, dass Ralph und ich uns rausschleichen sollten. Wir gehen zu dem Pub ins East End und reden noch mal mit der Prostituierten.“
Brian lächelte. „Ich weiß Ihre Dienstbereitschaft zu schätzen, Sir Tristan. Wirklich. Aber nicht heute. Ich habe selbst einiges zu erledigen, und ich würde es vorziehen, wenn Sie hier blieben. Camille wird ebenfalls hier sein, wie Sie schon sagten.“
„Aber sie wird sich um Alex kümmern. Nicht, dass ihr alter Vormund ihr nicht wichtig sei, aber ich bin ja schon auf dem Wege der Besserung.“
„Das ist Alex auch, glaube ich“, erwiderte Brian. „Tristan, ich möchte nicht, dass Sie heute ausgehen, obwohl ich Ihre Bereitschaft zu helfen wirklich zu schätzen weiß. Ich komme nächste Woche darauf zurück, ja?“
Tristan runzelte die Stirn, aber er nickte. „Ich kenne mich aus, wissen Sie, Lord Stirling. Ich bin neulich zwar etwas überrumpelt worden, aber ich bin ein alter Soldat. Ich bestehe im Kampf.“
„Das bezweifle ich nicht“, versicherte ihm Brian. „Aber Sie dienen mir am besten, wenn Sie heute ein Auge auf die Ereignisse im Schloss haben.“
„Sie trauen ihr auch nicht, was?“
„Wem? Camille?“
Tristan winkte ungeduldig ab. „Nicht Camille! Dieser Frau, Mrs. Prior. Die nachts herumschleicht.“
„Was?“
„Mrs. Prior“, flüsterte Tristan verschwörerisch. „Letzte Nacht ist sie durch die Flure geschlichen.“
Brian seufzte. „Tristan, sie ist die Haushälterin. Sie hat ein Recht, durch die Flure zu schleichen.“
„Mitten in der Nacht?“
„Warum sind Sie denn durch die Flure geschlichen?“
„Ich habe Geräusche gehört“, erklärte Tristan. „Und das war sie. Sie ist zu dem Raum gegangen, in dem Alex untergebracht ist.“
„Sie wollte
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