Der Mann mit der dunklen Maske
Hunter an diesem Tag noch gar nicht gesehen, was ungewöhnlich war. Und weder Aubrey Sizemore noch Alex Mittleman waren ihr über den Weg gelaufen. Nicht mal der alte Mann, der sauber machte, war irgendwo zu sehen.
Einen Moment lauschte sie der Stille. Sir John würde sie nicht mehr einholen. Offenbar war sie allein.
Camille schloss ihre Finger um die Schlüssel. Es war Zeit, sich noch einmal im Lager umzusehen.
Brian erkannte schnell, dass der Mann mit der Hakennase aus der Bar mit Tristan und Ralph Schritt hielt. Sie liefen durch belebte Straßen: Dann erreichten sie wieder ein Viertel voller kleiner Gassen in der Nähe des Flusses und der alten römischen Mauer. Brian konnte auf der anderen Seite des Flusses den White Tower erkennen, dann wurde ihm wieder die Sicht versperrt.
Sie bogen erneut in eine belebte Straße ein. Er sah, wie der hakennasige Kerl hinter Tristan herrannte, ihn packte und in eine kleine, dunkle Seitengasse stieß.
Hastig folgte Brian ihnen. Hakennase hatte eine Waffe. Als Brian den kleinen Platz am Ende der Gasse erreichte, hatte er sie in der Hand und bedrohte Tristan und Ralph damit.
„Was habt ihr und wo habt ihr es her?“ wollte der Kerl wissen.
Brian schlich sich von hinten an ihn heran. Er sah, wie Tristan die Augen aufriss, aber er schüttelte den Kopf, und noch bevor der Kerl sich umdrehen konnte, schlug Brian zu. Er hieb ihm die Faust auf den rechten Arm. Die Waffe flog in die mit Abfall übersäte Gasse. Der Kerl versuchte an sein Messer an der Wade zu kommen, aber Brian versetzte ihm einen Aufwärtshaken und warf ihn nach hinten.
Da peitschten plötzlich Schüsse durch die Nacht.
Camille umklammerte den Schlüsselbund und eilte wieder zurück in den Ausstellungsbereich. Er war nicht besonders besucht, aber sie entdeckte doch ein paar Pärchen, einige Studenten und Wissenschaftler, die sich Notizen machten, Kunststudenten mit ihren Arbeitsblöcken vor den verschiedenen Statuen und Reliefs. Die Kobra schlief nach ihrer Mahlzeit eingerollt und zufrieden. Aubrey war nirgends zu sehen.
Sie holte tief Luft und lief die Stufen, die sie erst kürzlich zum ersten Mal mit Sir John hinabgestiegen war, hinunter in die Unterwelt des Museums mit seinen weitläufigen Lagern.
Das Licht war sehr schwach, und sie brauchte mehrere Sekunden, um ihre Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Sie lief durch die Gänge, zwischen Stapeln von Kartons voller Schätze hindurch, bis sie zu den ägyptischen Altertümern kam. Insbesondere zu jenen Kisten, die von der letzten Expedition der Stirlings stammten.
Dort gab es mehrere Mumien, die nicht in ihren Sarkophagen lagen. Entweder waren sie schon herausgenommen worden, oder sie stammten aus Massengräbern, in denen nicht jeder Tote einen eigenen Sarg bekommen hatte. Sie ließ ihren Blick über die Körper schweifen. Die Einbalsamierungen waren von höchster Qualität. In den späteren Dynastien hatten viele Einbalsamierer ihre religiösen Pflichten zu Gunsten weltlicher Güter vernachlässigt und ihren Klienten oft schlechte Dienste erwiesen.
Aber im Moment war Camille nicht besonders an Mumien interessiert. Sie ging von Kiste zu Kiste, las ab, was sich darin befand. Sie suchte nach einer goldenen Kobra. Wenn das Stück als besonderer Talisman in das Grab gelegt worden war – handgefertigt von einer geschätzten Priesterin oder Hexe –, musste es ein besonders exquisites Kunstwerk sein. Massives Gold? Wahrscheinlich. Und die Augen? Rubine? Diamanten? Zumindest Edelsteine.
Sie sichtete eine Transportkiste nach der anderen, konnte aber keinen Hinweis auf ein solches Stück entdecken. Und obwohl sie sogar vorsichtig das Polstermaterial durchsuchte, konnte sie nichts finden, was der Beschreibung ähnelte.
Camille ging zu den Mumien zurück und fragte sich, ob es vielleicht ein kleineres Stück gewesen war, das mit der Mumie von Hethre selbst bestattet worden war.
Aber sie glaubte nicht, dass eine der schon geöffneten Mumien Hethre sein konnte. Kein anerkannter Ägyptologe würde den Sarkophag einer so bekannten Persönlichkeit ohne die entsprechende Vorbereitung und Umsicht öffnen. Auch hier gab es manchmal Fallen wie in den Gräbern, wo oftmals plötzlich herabstürzende Steine oder Fallgruben Plünderung verhindern sollten.
Frustriert stand sie da und starrte auf eine der Mumien. Irgendwie bestürzte es sie, dass der Mensch trotz aller Mühen nicht in der Lage war und es wahrscheinlich nie sein würde, Tod und Zerfall wirklich
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