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Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Boyle
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Wir füllten unsere Kübel damit, aßen die Beeren und sammelten neue ein. Das war buchstäblich »Essen-to-go«. In Supermärkten können auf Farmen gezüchtete Himbeeren bis zu 1,50 Pfund für ein kleines Körbchen kosten, gezüchtete Biohimbeeren sogar noch mehr. Auf unserer Wanderung pflückten wir manchmal innerhalb weniger Minuten einen Kübel voller herrlicher wilder Himbeeren. Ich hatte das Gefühl, als würden wir für unseren Trip bezahlt. Der Radweg, der etwa ein Viertel meiner Route nach Bristol und zurück ausmachte, war zwischen Juli und September voller Beeren. Wenn ich ein Büschel richtig saftiger Beeren vor mir sah, konnte ich einfach nicht an mich halten. Wann immer ich zu spät zu Verabredungen kam und den furchtbaren Verkehr als Vorwand vorschob, verrieten mich meine violett verfärbten Finger!
    Jeden Abend schlugen wir spätestens um 18 Uhr unser Lager auf, zündeten ein Feuer an und kochten die Früchte unserer Arbeit bei Vollmond und zu den Klängen von akustischer Gitarre, Violine und afrikanischen Trommeln. Wir tanzten, wir sangen, und irgendwann schliefen wir, einige von uns neben dem Feuer. Hätte jemand in der Nähe gewohnt, hätte er sich vermutlich beschwert. Aber das war es ja gerade: Es war niemand in der Nähe. Von allem, was ich das ganze Jahr über erlebt hatte, kam das am nächsten an eine echte Befreiung heran. Ich glaube, dass der Verzehr von Nahrung auf einer Wanderung seit Urzeiten tief in uns verankerte Mechanismen aktiviert, und obwohl ich mich vergebens bemühe herauszufinden, warum das so ist, fühle ich mich am lebendigsten draußen in der freien Natur, wenn ich Essen sammle, das sie kostenlos hergibt, um anschließend unterm Sternenhimmel einzuschlafen.
    Das eigentliche Essen ist nur ein Aspekt des Nahrungssuche-Erlebnisses in der freien Natur. Es ist auch eine tolle Ausrede, um Zeit mit Freunden zu verbringen, weitab vom Stress des modernen Lebens und den unablässigen Autogeräuschen. Die Nahrungssuche verbindet alles, was ich liebe: das Eintauchen in die Natur, das Abenteuer, die Bewegung, das großartige Essen und – wenn Sie es schaffen, Freunde zu überreden, beim Zelten im Freien mitzumachen – obendrein noch eine Party.
    Wochenenden wie dieses waren ein super Gegengewicht zu meinem »normalen« Leben, das, wenn ich nicht mit Leidenschaft die Philosophie hinter meinem Leben ohne Geld verbreitet hätte, das ganze Jahr gleich gewesen wäre. Die Auszeit war auch wichtig, damit ich nicht die Erdung verlor, wo alles um mich herum mich leicht hätte in den Wahnsinn treiben können. Hätte es diese geldfreien Auszeiten mit meinen Freunden nicht gegeben, glaube ich, dass das wahrscheinlich passiert wäre.
    Eine Schweigewoche
    Zwei Wochen, nachdem ich von meinem letzten Nahrungssuche-Ausflug zurückgekehrt war, beschloss ich, eine Woche lang zu schweigen. Ich dachte nicht, dass das eine große Herausforderung darstellen würde, aber ich fand die Idee amüsant, eine Woche lang sowohl aufs Sprechen als auch auf Geld zu verzichten. Hätte mir das jemand vor zehn Jahren gesagt, wäre ich an meinem fettigen Riesen-Burger erstickt.
    Ich wollte die Kontrolle über meine Zunge wiedererlangen und mir bewusst werden, wie ich mich durch meine Handlungen ausdrücke. Mein Jahr ohne Geld war in vielerlei Hinsicht intensiv gewesen, vom Interesse der Medien und der Öffentlichkeit an meinem Experiment bis hin zu den täglichen Realitäten meines Daseins. Mein Leben hatte sich stark verändert. Ich hatte angefangen, gegen die Person, zu der ich wurde, eine Abneigung zu entwickeln. Unter anderem war das ein Mensch mit einem viel zu losen Maul. Ich hatte andere für Dinge kritisiert, wo ich in der Vergangenheit viel Schlimmeres angestellt hatte. Ich hörte mich selbst Sachen sagen, die so eingefärbt waren, dass sie mich gut dastehen ließen, eine imposante Persönlichkeit, mit der sich andere gern umgeben und zu der sie sich hingezogen fühlen. Ich dachte, es wäre das Beste, eine Weile die Klappe zu halten und mich ganz genau zu betrachten.
Kostenlose Kleidung
    Würden wir beschließen, die Produktion von Bekleidungstextilien sofort einzustellen, und würden wir lernen, Sachen zu flicken und weiterzugeben, so vermute ich, dass wir so viel Kleidung auf der Welt hätten, dass sie für etwa zehn Jahre ausreichen würde. Durch solch eine Entscheidung bekäme das Erdreich eine wohlverdiente Pause. So werden zum Beispiel 25 Prozent aller Pestizide auf Baumwolle gesprüht, eine massive

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