Der Mann ohne Kopf
der kalifornischen Westküste bezeichnen würde.«
Mrs Carrera schmunzelte, wurde aber sogleich wieder ernst. »Als ich Hammley dieses Gefühl beschrieb, begannen seine Augen seltsam zu leuchten. ›Soll ich Ihnen das Geheimnis verraten, wodurch dieses Bedürfnis in Ihnen geweckt wird?‹, fragte er mich. Was für eine Frage! Ich nickte zustimmend. Hammley saß zu diesem Zeitpunkt vor der Tastatur eines seiner unzähligen Keyboards und spielte plötzlich aus dem Stegreif ein paar tiefe Akkorde, bei deren Klang sich meine Nackenhaare aufstellten. Es war irgendwie grotesk, wenn es nicht zugleich so unheimlich gewesen wäre!«
Schon vom bloßen Zuhören überkam Peter ein Schaudern. »Was geschah dann?«
»In den Tönen«, so erklärte mir Hammley mit einem diabolischen Grinsen, »liege das Geheimnis der starken Empfindungen. Als er bemerkte, dass ich mit diesen Worten nichts anzufangen wusste, wurde er konkreter.« Während Mrs Carrera erzählte, blickte sie sich mehrmals verunsichert um, so als fürchtete sie, belauscht zu werden. »Hammley erklärte mir, dass seine Komposition nach einer streng wissenschaftlichen Formel konzipiert sei.«
Der Erste Detektiv spitzte aufmerksam die Ohren. »Wie darf man das verstehen?«
»Ich gebe zu, auf diesem Gebiet keine Expertin zu sein, doch zumindest habe ich damals auf dem Playwood-College im Physik-Unterricht so weit aufgepasst, dass ich Hammleys wissenschaftlichen Ausführungen wenigstens ansatzweise folgen konnte: Der Hörbereich eines gesunden menschlichen Ohres vermag tiefe Töne ab zwanzig Schwingungen pro Sekunde bis zum hellsten Pfeifton von zwanzigtausend Schwingungen pro Sekunde wahrzunehmen. Dieser so genannte Frequenzumfang ist in der Tierwelt ganz anders. Ein Hund zum Beispiel ist im Stande, drei bis viermal höhere Frequenzen als ein Mensch wahrzunehmen. Im Tieftonbereich sind es beispielsweise Wale und Elefanten, die so genannte ›Subbässe‹ aussenden und empfangen können, die weit unter der Hörfähigkeit eines Menschen liegen.«
Peter fasste sich verstört an den Kopf. »Ich verstehe nur ›Bratkartoffeln mit Spiegelei‹. Was um alles in der Welt hat dieser physikalische Vortrag mit Ihrem Hit ›Devil-Dancer‹ zu tun?«
»Genau darauf komme ich jetzt zu sprechen.« Energisch drückte Mrs Carrera ihre Zigarette im Aschenbecher aus. »Offensichtlich habe ich zu weit ausgeholt. Dabei lässt sich die Sache auf einen einfachen Nenner bringen: Die Töne, die für das menschliche Ohr nicht mehr hörbar sind, wirken sich in verschiedenster Weise dennoch auf das Unterbewusstsein aus und beeinflussen unsere Gefühle.«
Justus zeigte sich von Mrs Carreras Schilderung sichtlich beeindruckt. »Von einem ähnlichen Phänomen habe ich schon mal gelesen. Dabei ging es allerdings nicht um Akustik, sondern um optische Reize, mit denen sich bestimmte Empfindungen ebenfalls manipulieren lassen. Diese Methode macht sich beispielsweise auch der Geheimdienst zu Nutze. Selbst bestgeschulte Agenten waren nach tagelangen Verhören unter Einwirkung eines sich ständig wiederholenden Blitzlichtes nicht mehr in der Lage, ihre Geheimnisse für sich zu behalten.«
Bob kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Und weshalb nicht, wenn ich fragen darf?«
»Unser Gehirn arbeitet normalerweise so, dass wir den Eindruck haben, uns hundertprozentig auf es verlassen zu können«, erklärte der Erste Detektiv mit erhobenem Zeigefinger. »Doch es gibt Wege und Möglichkeiten, das rationale Denken auf einfachem Wege in die Irre zu führen. Das andauernde Blitzlicht, das ich als Beispiel angeführt habe, löst im Gehirn eine chemische Reaktion heraus, die es einem, selbst unter größten Anstrengungen, unmöglich macht, der Qual des Schweigens weiterhin standzuhalten.«
»Langsam kommen wir der Sache näher, Justus.« Mrs Carrera lächelte anerkennend. »Mit dem gezielten Einsatz dieser unterbewusst wirkenden Technik ist es jedoch auch möglich, positive Empfindungen auszulösen, die sich sogar bis zu höchster Euphorie steigern lassen: Norman Hammley hat laut seiner eigenen Aussage Mittel und Wege gefunden, diese unterbewusst wirkenden Töne in seiner Komposition unterzubringen, die den Zuhörer in einen nicht zu erklärenden Glückszustand versetzen.«
Für einen Moment herrschte ratloses Schweigen. Dem Ersten Detektiv war deutlich anzusehen, dass sein Denkapparat auf Hochtouren lief. Schließlich holte er tief Luft und fixierte Mrs Carrera mit klarem Blick.
»Sie können sich doch
Weitere Kostenlose Bücher