Der Mann ohne Vergangenheit
Eindruck, daß er sie nur deswegen quält, weil er sie leiden sehen will. Er möchte mich kaufen – für diesen Zweck, aber bislang hat ihm Haze-Gaunt nicht erlaubt, mich anzurühren. Was auch immer Sie tun, gehen Sie Shey aus dem Wege.“
„Einverstanden, ich halte mich fern von ihm. Aber warum tun Sie das für mich?“
„Sie erinnern mich an jemanden, den ich gekannt habe“, erwiderte die Frau langsam. Sie blickte sich um. „Um Himmels willen, beeilen Sie sich!“
Seine Finger verkrampften sich um ihre Schultern. „Wer ist der Mann, an den ich Sie erinnere?“ rief er mit rauher Stimme.
„Laufen Sie!“
Es blieb ihm nichts anderes übrig. Innerhalb von Sekunden war er an der Schachttür, fuhr blitzschnell mit verzweifelten Fingern darüber hin. Es gab keinen Griff. Unmittelbar hinter ihm war das Geräusch eilender Füße zu hören. Natürlich gab es keinen Griff – der Deckel ging nach innen auf.
Er stürzte sich in die enge Schwärze und schoß wirbelnd in die Tiefe. Wenn er bei dieser Geschwindigkeit in etwas Festes hineinfuhr, würde er sich beide Beine brechen. Gerade als er seinen Fall durch Ausstrecken von Knie und Ellbogen bremsen wollte, schleuderte es ihn in der Dunkelheit in eine faule und nachgebende Masse. Bevor noch Staubwolken aufzusteigen begannen, war er fast schon wieder auf den Füßen.
Mit Ausnahme eines seitlich einfallenden Lichtstrahls war die Dunkelheit in der Verbrennungskammer, die sein Gefängnis bildete, vollständig. Es war offensichtlich ein Guckloch in der Beschickungsluke für den Bedienungsmann. Er stolperte zum Guckloch hinüber und spähte hinaus.
Der große Raum lag verlassen da.
Er rüttelte vorsichtig an der Tür und versuchte den eisernen Fallriegel zu bewegen.
Er war von draußen eingeschlossen.
Der Dieb wischte sich mit dem Ärmel die Stirn ab, zog den Säbel und stocherte im Schloßmechanismus herum. Das Schloß war sehr stabil.
Das leise Kratzen von Stahl auf Stahl beim Einstecken der Waffe hallte spottend in der Kammer wider.
Er hatte eben begonnen, sich langsam in seinem Gefängnis herumzutasten, als er Schritte auf dem Betonboden draußen hörte.
Die Feuerungstür ging auf, und ein Haufen brennenden Mülls segelte an seiner Brust vorbei.
Der Lichtstrahl war verschwunden. Ein Bedienungssklave spähte vermutlich in die Dunkelheit hinein und wunderte sich.
Der Dieb hörte einen gedämpften Ruch, dann das Geräusch sich entfernender Schritte. Er war sofort, bei der Tür.
Der Sklave würde in ein bis zwei Minuten zurück sein.
So war es auch. Diesmal war die Zündmasse größer. Das Guckloch blieb lange Zeit geschlossen, denn der Sklave überzeugte sich, ob die Ladung richtig brannte. Schließlich ging er fort, und der Dieb entfernte die Säbelspitze aus dem Schloßriegel und stieß die Tür auf. Kalte Luft strömte in die verbrannten Lungen und sein blasenübersätes Gesicht.
Er war sofort auf dem Boden und zwang sich, sich die Zeit zum Schließen und Versperren der Tür zu nehmen. Wertvolle Sekunden waren vergangen, aber es mochte seine Verfolger aufhalten, wenn sie in jeder Brennkammer nach ihm Ausschau halten mußten.
Er verschwand wie ein Gespenst zwischen der Wölbung zweier Brenner und wandte sich dem Westflügel und der berühmten T-zweiundzwanzig zu.
War der brillante Gaines wirklich ein Dieb? Und wenn ja – hatte das zu bedeuten, daß Haze-Gaunts Regierung mit Mitgliedern der Gesellschaft durchsetzt war?
Zweierlei war gewiß. Das Wolfsrudel wußte eine ganze Menge über ihn. Für es war er etwas mehr als nur ein Dieb. Warum sagte er etwas? War er kein Mensch? Und die Gesellschaft der Diebe hatte seinem Leben einen unglaublichen Wert beigemessen. Außerdem wußte Haven zumindest ebensoviel oder noch mehr über ihn, als das Wolfsrudel. Er mußte ihm einige dringende Fragen stellen, falls er seinen Freund je wiedersah.
Er öffnete die Tür zur großen Gewölbekammer einen halben Zentimeter breit und spähte die Innenwand entlang. Nichts regte sich. Von weit her, etwa von der Mitte des Raumes, hörte er das Zischen atomarer Schweißgeräte.
Leise schlüpfte er durch die Tür – und sog scharf den Atem ein.
Selbst im Dämmerschein schimmerte die T-zweiundzwanzig in einem hellblauen Nebel. Ihre schlanken, steilen Flanken erhoben sich fünfzig Meter weit in der Höhe, aber an der engsten Stelle maß sie weniger als drei Meter im Durchmesser. In einen großen Mondfrachtcr würden mehrere hundert Stück ihrer Art hineingehen.
Was ihn
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