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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L Harness
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nicht getan haben, die Masken abnehmen, damit die Polizei den Eindringling verhaften kann. Das soll aber das Fest weder stören noch aufhalten! Weitertanzen!“ Der Kanzler nickte dem Dirigenten zu, und das große Orchester begann mit gewaltigem Einsatz Taya von Tehuantepec zu spielen.
    Ein aufgeregtes Summen erhob sich allenthalben, als die buntgefiederten Männer die Masken abzunehmen begannen und sich umschauten. Allmählich wurden die Paare wieder vom Tanzboden verschluckt. Beim Entlanggleiten an der Wand fuhr Alar mit der Hand zur Maske empor, ließ die Hand dann aber langsam fallen. Sein seltsames Herz schlug noch schneller.
    Mehrere Ereignisse erregten zugleich seine Aufmerksamkeit. Die Tänzer bemerkten ihn jetzt selbst im schattigen Tal der tapezierten Wand, an der er lehnte. Und scheinbar aus der Luft materialisierten sich mehrere Männer in Grau mit Dienstsäbeln der kaiserlichen Polizei in nur ein paar Metern Entfernung rechts und links von ihm.
    Sie standen lediglich ruhig herum, anscheinend in die wirbelnde Fröhlichkeit versunken. Zwei weitere lehnten unauffällig an einer großen Säule etwa vier Meter vor ihm. Alars braune Diebsmaske war hier so auffällig wie das rote Tuch vor einem Stier. Er mußte verrückt gewesen sein, sie anzulegen.
    Die Zunge fuhr trocken in seinem Mund umher. Er trug ein Schwert, mit dem er nicht vertraut war. Er war erschöpft und lebte von reiner Nervenenergie. Selbst seine umherschweifenden Augen konnten keinen Ausgang erspähen, der sich zum Garten hin öffnete.
    „ Ihre Maske, Sir?“
    Es war Thurmond – er stand unmittelbar vor ihm, die Hand auf dem Degengriff.
    Einen langen, schrecklichen Augenblick glaubte der Dieb, die Beine würden unter ihm zusammensacken und ihn auf die Marmorfliesen plumpsen lassen. Nicht einmal den Reflex, sich instinktiv die Lippen zu lecken, konnte er unterdrücken.
    Den Luchsaugen des Ministers entging nichts. Er schürzte leicht die Lippen. „Ihre Maske, Sir?“ wiederholte er leise.
    Der Mann mußte sich hinter einer Säule an ihn herangeschlichen haben und dann mit einem seiner berühmten – und gefürchteten – Katzensprünge näher gekommen sein. Er zog langsam das Schwert, und das heftige Atmen des Diebes schien ihm beinahe sinnliche Lust zu bereiten.
    „Faut-il seloigner le masque? Pourquoi?“ fragte Alar heiser. „ Qu’êtes-vous?“
    Der winzigste Schatten eines Zweifels huschte über Thurmonds Gesicht. Sein Schwert war jetzt jedoch aus der Scheide. Seine Spitze funkelte selbst im gedämpften Licht des Ballsaales. „Der Kanzler sucht noch immer eine Unterredung mit Ihnen“, fuhr Thurmond fort. „Wenn ich das nicht vereinbaren kann, werde ich Sie töten. Solche Unterredungen bestehen aber lediglich aus müßigem Gerede, und Sie könnten sich auf dem Weg dorthin verirren. Daher werde ich Sie töten. Hier. Auf der Stelle.“
    Alar holte endlich tief Atem.
    Um ihn herum blitzte jetzt weiterer Stahl auf. Die grauen Männer an der Wand hatten die Degen gezogen und glitten auf ihn zu.
    Zwei oder drei Paare hatten zu tanzen aufgehört und starrten fasziniert auf die bevorstehende Ermordung.
    Eine verschwommene Bewegung! Und Thurmond befand sich plötzlich einen Schritt näher. Es war einfach unmöglich, daß sich ein Mensch so schnell bewegte. Jetzt war es klar, warum der arme Corrips – selbst kein ungeschickter Fechter – der Schlitzmagie des Giles Thurmond nur ein paar Sekunden hatte widerstehen können.
    Und dennoch hielt sich der Mann zurück. Warum? Jenes gespielte Diplomatenfranzösisch mußte seine hundertprozentige Gewißheit erschüttert haben. Thurmond wollte ihn offensichtlich erst nach Abnahme der Maske töten.
    „ Vous m’insulte, tovarich“, zirpte Alar. „Je vous demande encore, pourquoi dois-je déplacer le masque? Qu’êtes-vous? Je demande votre identité. Si vous désirez un duel, mes séconds …“
    Thurmond zögerte. „Il faut déplacer le masque“, sagte er kurz angebunden, „parceque il y a un enemi de l’état au bal. C’est mon devoir, de l’apprendre. Alors, monsieur, s’il vous plait, le masque …“
    Der Polizeiminister hatte jetzt für die – eins zu einer Million geringe – Möglichkeit vorgesorgt, daß Alar tatsächlich ein auf Besuch weilender ausländischer Würdenträger sei, der die Ankündigung des Kanzlers nicht verstanden hatte. Er war jetzt bereit, den Dieb zu töten, ob er die Maske abnahm oder nicht.
    Alars Geist begann auf merkwürdig unbeteiligte Weise herumzuschweben,

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