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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L Harness
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konnte. Hier gab es keinerlei Bewegung, keinerlei Ton, nichts als die Säule und eine gewaltige brütende Stille.
    Vorsichtig griff er hinaus, um die Säule zu berühren. Sie hatte seltsam flüssige, verformbare Eigenschaften, wie ein gebeugter Lichtstrahl. Und sie hatte eine seltsame Form. Der Teil, den er berührte, war ein fünf finniger Flansch, der vom Mittelabschnitt der Säule ausging.
    Wie einfach wäre es, dachte er, unzählige Arme mit Händen und Fingern herauszusägen, hätte er nur eine Motorsäge. Den Flansch leicht berührend, schwebte er um die Säule auf die andere Seite, wo er eine ähnliche Einrichtung mit fünf Finnen fand. Er runzelte zuerst verblüfft die Stirn. In etwas größerer Entfernung gab es beinähnliche Flossen.
    Seine Augen hellten sich auf, als er erkannte, daß der Säulenquerschnitt dem Aufriß eines Menschen sehr nahe käme. Beim Umschauen bemerkte er, daß sich die Säule ins Unendliche fortzusetzen schien.
    Anschließend schwebte er einige Minuten lang in die entgegengesetzte Richtung, wobei ihm auffiel, daß sich der Querschnitt verkleinerte. Die Umrisse der Wangen wurden dünner, die Knochen traten deutlicher hervor. Der Umriß mochte der eines mageren Jungen sein. In größerer Entfernung war die Säule noch schlanker, und wenn er die Augen anstrengte, glaubte er sehen zu können, wie sie in der Ferne zu einem Faden zusammenschrumpfte.
    Der Dieb glaubte, sein Leben hinge von der Lösung dieses Geheimnisses ab, aber so sehr er sich auch umblickte, die Antwort entzog sich ihm.
    Nachdenklich geworden, kehrte er langsam zurück und musterte die Säule ungefähr von dem Punkt aus, an dem er sich befunden hatte, als er das Bewußtsein wiedererlangte. Vor Ratlosigkeit preßte er die Kinnbacken zusammen.
    Vielleicht war die Erklärung im Inneren der Säule zu finden. Er schob langsam einen Arm hinein und bemerkte mit Interesse, daß irgendeine nachgebende Kraft seine Finger in den fünffinnigen Teil der Säule hineinzuziehen schien. Er steckte das rechte Bein hinein. Es paßte vollkommen.
    Versuchsweise schob er den übrigen Teil des Körpers in die Säule.
    Und dann erfaßte ihn etwas Ungeheures und Elementares und schleuderte ihn …
     
    „Er erlangt das Bewußtsein wieder“, kicherte die Stimme.
    Alar setzte sich auf einem Knie auf und spähte aus schmerzenden Augen hervor.
    Sein Kopf drehte sich. Er befand sich mitten im Käfig, nicht zwischen den Wänden eingequetscht. Nirgends an ihm war Blut, und irgendwie hatte er auch Hemd und Rock zurückbekommen. Alles – die Lage der Männer, der Tisch, die Instrumente – war an derselben Stelle wie damals, als er, vor einer Ewigkeit, vor der Injektion und vor den Schmerzen, im Käfig aufgewacht war.
    Waren seine Schmerzen wirklich nur ein Alptraum gewesen, ausgelöst durch die merkwürdige Episode mit der menschenähnlichen Säule? War es bloß ein illusionäres déja vu, von Shey zu erwarten, daß er auf den Zehenspitzen auf und ab gehen und plappern würde …
    „Guten Morgen, Dieb!“ plapperte Shey und ging auf den Zehenspitzen auf und ab.
    Alar spürte, wie sein Gesicht blutleer wurde.
    Er verstand eines mit höchster Deutlichkeit. Durch ihm völlig unverständliche Mittel hatte er für einige Zeit den Zeitstrom verlassen und war an der ungünstigsten Stelle wieder in ihn eingetreten. Er wußte, daß dieses Mal seine Entschlossenheit wanken würde – daß er sprechen würde und daß seine Kameraden sterben würden. Und er hatte keine Waffe, keine Hilfsmittel, um die Katastrophe abzuwenden, die ihn schließlich ereilt hatte.
    Ausgenommen – sein Herz schlug in wilder Freude, als er seiner ruhigen, eisigen Stimme lauschte. „Ich glaube, daß Sie mich sehr bald freilassen werden.“
    Shey schüttelte seinen Lockenkopf in seltener guter Laune. „Das würde alles verderben. Nein, ich lasse Sie eine sehr lange Zeit nicht frei. Ich möchte sogar sagen – nie.“
    Alar preßte die Lippen in einer kalten Gewißheit zusammen, die er bei weitem nicht fühlte. Geschwindigkeit war das absolute Muß. Er mußte sein Ziel vor dem Läuten des Telephons erreichen. Er durfte jedoch nicht übereilt oder ängstlich klingen. Shey würde unweigerlich seine Stimme erkennen, aber das ließ sich nicht vermeiden.
    Er verschränkte die Arme über der Brust und lehnte sich an die hinteren Stangen. „Die Gesellschaft der Diebe mißt mir vielleicht zuviel Wert bei“, sagte er schließlich. „Sei’s drum. Man hat jedoch gewisse Vorsichtsmaßnahmen

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