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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L Harness
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Haze-Gaunt stirnrunzelnd ein. „Ihr Blut ist bereits wieder abgepuffert, und ihre Reaktionen waren für die letzten Fragen bedeutungslos. Wir müssen sechs bis sieben Tage warten, bis wir wieder den Versuch unternehmen können, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.“
    „Wir können nicht warten“, warf Thurmond ein. „Du weißt, daß wir nicht warten können.“
    Shey trat hinzu und nahm den Verigraph ab. Keiris spürte den Einstich einer anderen Nadel, und ihr Kopf war wieder schrecklich klar, als ihr bewußt wurde, was Haze-Gaunt erwidert hatte.
    „Sie gehört dir, Shey.“

 
11
Keiris’ Rückkehr
     
    „Liebe, liebe Keiris“, lächelte Shey. „Unser Rendezvous hier war so unausweichlich wie der Tod selbst.“
    In ihrer auf dem Operationstisch festgeschnallten Lage hielt die Frau den Atem an und blickte sich mit weit aufgerissenen Augen im Raum um. Außer dem strahlenden Weiß der Behälter mit seltsamen Instrumenten – und den in einen weißen Chirurgenmantel gekleideten Shey – gab es nichts zu sehen.
    Der Psychologe sprach weiter und kicherte ab und zu zwischen den Worten.
    „Verstehst du die Natur des Schmerzes?“ fragte er und lehnte sich so weit über sie, wie es seine rundliche Gestalt erlaubte. „Wußtest du, daß der Schmerz der empfindlichste aller Sinne ist? Nur wenige Menschen wissen es. Bei der rohen Tierhaftigkeit des Großteils der Menschheit dient der Schmerz lediglich als Anzeichen für körperliche Verletzungen.
    Die subtileren Obertöne entgehen ihnen völlig. Nur einige wenige Erleuchtete – wie die Hindu-Fakire, die Büßermönche, die Flagellanten – wissen die höchste Lust zu schätzen, die einem unser so schändlich vernachlässigtes propriozeptives System liefern kann.“
    „Sieh her!“ Er schob schnell den Ärmel zurück und entblößte eine verkrustete Wunde an der Innenseite des Armes. „Hier habe ich die Epidermis abgezogen und träufelte fünfzehn Minuten lang brennende Alkoholtropfen darauf, während ich versunken in der Darstellung des Infernos durch das kaiserliche Ballett in der Oper saß. Unter all den Zuschauern war ich der einzige, der es völlig zu würdigen wußte.“ Er hielt seufzend inne. „Nun denn, fangen wir an. Du kannst jederzeit reden, wenn du möchtest. Ich hoffe, daß dies nicht zu bald der Fall sein wird.“
    Er rollte einen mit Zeigern übersäten Kasten herbei und löste zwei in Nadeln auslaufende Drähte. Die eine Nadel stieß er ihr in die rechte Handfläche und klebte sie mit Heftpflaster fest. Die andere brachte er auf dieselbe Weise am Bizeps an.
    „Wir fangen beim Elementaren an und schreiten zum Komplexen fort“, erklärte Shey. „Du wirst den Reiz besser zu schätzen wissen, wenn du seine Wirkung verstehst. Beobachte den Oszillographen.“ Er deutete auf eine trübweiße, runde Glasplatte, die in der Mitte durch eine leuchtende horizontale Linie abgeteilt wurde.
    Sie schrie unwillkürlich auf, als ihr ein scharfer Schmerz den Arm hinaufschoß – und dort rhythmisch pulsierend andauerte.
    Shey kicherte. „Ein netter Appetitanreger, was? Siehst du den Kathodenstrahl? Er zeigt an, daß Impulse verschiedener Geschwindigkeit diesen speziellen Nervenstrang hinaufeilen. Da ist der plötzlich stechende Schmerz – die Spitze auf der Kathodenröhre, die etwa dreißig Meter pro Sekunde schnell ist. Dann erheben sich mehrere langsamere Impulse, mit Geschwindigkeiten bis hinab zu einem halben Meter pro Sekunde. Sie erzeugen den dumpfen Schmerz, der folgt, wenn man sich den Zeh anstößt oder den Finger verbrennt.
    Diese Impulsen werden in immer größere Nervenfibern weitergeleitet, die schließlich ins Rückenmark münden und von dort in den Thalamus weiterbefördert werden, der die verschiedenen Reize wie Schmerz, Kälte, Wärme, Tastsinn und so weiter ordnet und die Botschaften zum Handeln ins Zerebrum leitet.
    Die unmittelbar hinter der Rolando-Spalte liegende postzentrale Windung scheint alle Schmerzimpulse zu empfangen.“ Er blickte heiter auf und rückte die Nadel in ihrem Oberarm zurecht. „Du findest den monotonen alten Reiz langweilig? Hier ist ein anderer.“
    Sie bereitete sich vor, aber der Schmerz war bei weitem nicht so stechend.
    „Nicht aufregend, wie?“ meinte der Psychologe. „Knapp über der Schwelle. Nach dem Reiz reagiert die Faser eine Vierzehntelmillisekunde lang nicht mehr auf Reize. Dann ist sie fünfzehn Millisekunden lang im entgegengesetzten Zustand – hyperempfindlich – und anschließend ist sie

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