Der Mann ohne Vergangenheit
Er öffnete die Tür. Er spürte die plötzliche Welle kühler Luft im schweißnassen Gesicht. Ob dieses irrationalen Gedankens mußte er glucksen: Warum nicht in den sechs Kubikfuß großen Würfel kriechen und die Tür hinter sich zufallen lassen?
Er holte die Flasche Schaum hervor und drückte etwas von der dicken Flüssigkeit in seinen Mund. Das Gefühl war ausgesprochen angenehm. Er schloß die Augen und stellte sich einen Augenblick lang vor, daß Kapitän Andrews in seiner Nähe wäre und sagte: „Es ist kalt, und das ist an einem solchen Ort hochwillkommen.“
Er machte die Tür hinter der Flasche wieder zu. Eine sinnlose Geste, dachte er bei sich. Die Lage schien so unwirklich zu sein. Keiris hatte ihn gewarnt …
Keiris?
Fühlte sie in diesem Augenblick, was er durchmachte?
Er mußte über seinen eigenen Gedanken schnauben und kehrte zum Sessel zurück.
Was eigentlich machte er durch?
Es gab wirklich mehrere Möglichkeiten, die alle denselben Abschluß hatten – ein langes Warten, dann eine sofortige, schmerzlose Auslöschung. Er konnte nicht einmal mit anhaltenden, unerträglichen Schmerzen rechnen, die ihn entlang der Zeitachse freisetzen würden, wie es in Sheys Folterkammer geschehen war.
Er wurde eines tiefen, hohlen Summens gewahr und entdeckte schließlich, daß es vom Pulsschlag in der Schläfe kam. Sein Herz schlug so schnell, daß einzelne Pulsschläge nicht mehr zu unterscheiden waren, der Puls war in den unteren Hörbereich übergegangen, was einen Herzschlag von mindestens 1200 pro Minute zu bedeuten hatte.
Er hätte beinahe gelächelt. Angesichts der Katastrophe, die Haze-Gaunt auf der Erde zu entfesseln im Begriff stand, kam ihm das rasende Bemühen seines Unterbewußtseins um Selbsterhaltung plötzlich amüsant vor.
Zu diesem Zeitpunkt bemerkte er, daß der Raum leicht geneigt war. Das sollte nicht der Fall sein, es sei denn, das riesige Zentralgyroskop wurde langsamer. Das Gyro hatte die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Station auch in den heftigsten Fackeln und Tornadoprotuberanzen in vertikaler Lage blieb. Eine rasche Überprüfung des Kontrollpults zeigte, daß der große Stabilisator völlig in Ordnung war.
Das kleine Kompaßgyroskop drehte sich jedoch, wie er sofort erkannte, langsam auf eine sehr merkwürdige, aber seltsam vertraute Art. Die Stationsachse wich langsam in einem Winkel von der Vertikalen ab und rotierte in einer kegelförmigen Bahn um ihre alte Achse.
Das Solarion zeigte eine Präzession, was zu bedeuten hatte, daß eine unbekannte Riesenkraft es umzukippen versuchte und daß das große Zentralgyroskop dagegen heldenhaft ankämpfte.
Es war eine verlorene Schlacht.
Er hatte eine flüchtige Vision, wie sich die große Station in langsamer, massiver Großartigkeit auf den Rücken legte. Der Muirium-Antigravitationsantrieb über ihm, der jetzt 26 der 27 g der Sonne aufhob, würde sich bald unter ihm befinden und zu jenen 27 g weitere hinzufügen. Bei 53 g würde er an die vier Tonnen wiegen. Das Blut würde aus seinem zermalmten Körper tropfen und sich in einer dünnen Schicht über das Deck ausbreiten.
Aber was versuchte, die Station umzudrehen?
Die Pyrometer zeigten auf den Seiten, ober- und unterhalb der Station, nahezu gleiche Konvektionstemperaturen – ungefähr 5200 Grad. Und die auf den Seiten und am Boden der Fabrik aufgefangene Strahlungswärme zeigte, wie zu erwarten, einen Wert von rund 6900 Grad. Die Pyrometer aber, die die Strahlung auf der Oberseite der Station maßen (und diese hätte 2000 Grad nicht übersteigen sollen, da die Oberseite der Station normalerweise nur von der dünnen Photosphäre oben bestrahlt wurde), zeigten die unglaubliche Zahl 6800.
Die Station mußte ganz von der Sonne umschlossen sein. Die gleichmäßige Strahlung auf allen Seiten bewies das. Doch er befand sich noch immer im Sonnenfleckenwirbel, das zeigten die viel kühleren Konvektionsströmungen, in denen die Station gebadet wurde. Es gab nur eine mögliche Erklärung: Der Sonnenfleckenstrudel mußte in einer gewaltigen U-förmigen Röhre zur Sonnenoberfläche zurückkehren.
Alles, was den einen Schenkel der Röhre hinunterglitt, würde natürlich durch den anderen Schenkel in umgekehrter Richtung hinaufsteigen. Die U-Röhre erklärte schließlich, warum alle Recken paarweise auftraten und von entgegengesetzter magnetischer Ladung waren. Der ionisierte Wirbel rotierte natürlich in den beiden Röhrenschenkel in entgegengesetzter Richtung.
Wenn das
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