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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L Harness
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eingefallenen Augen den Mann in der durchsichtigen Kuppel. Sein tarsioides Schoßtierchen spähte ihm ängstlich über die Schulter. Sogar Juana-Maria war anwesend und verfolgte die Ereignisse aus ihrem Motorstuhl mit schwachem Interesse.
    „Diese Fragen lauten wie folgt“, dröhnte das Gehirn. „Erstens, ist es Shey und Thurmond gelungen, den Dieb Alar zu töten? Wenn ja, warum haben sie nichts von sich hören lassen? Zweitens, kann die Operation Finis mit vernünftigen Erfolgsaussichten eingeleitet werden, auch wenn das Problem Alar noch ungelöst ist? Diese zwei Fragen hat meines Wissens jedes Ratsmitglied gestellt. Die dritte Frage –‚Ist Kennicot Muir noch am Leben?’ – wurde vom Kanzler allein gestellt.“
    Ein eisiger Schauer kroch Keiris den Rücken hinauf. Wußte das Gehirn wirklich über Kim – und Alar – Bescheid?
    Der Mann in der Grube hielt kurz inne, senkte den verunstalteten Löwenkopf und blickte dann erneut zu dem Gesichtskreis über ihm auf. „Ich kann Ihre Fragen wie folgt beantworten. Erstens – Shey und Thurmond sind bei ihren Versuchen, Alar zu vernichten, umgekommen.
    Zweitens – der Erfolg oder Fehlschlag von Operation Finis hängt nicht mehr von Leben oder Tod Alars ab, sondern von einem äußeren Faktor, der uns allen in ein paar Minuten enthüllt werden wird. Folglich können die ersten zwei Fragen mit kategorischer Entschiedenheit beantwortet werden. Die Frage bezüglich der Existenz oder Nichtexistenz von Alar und Muir jedoch kann nur in Begriffen der nicht-aristotelischen Wahrscheinlichkeit beantwortet werden.
    Mit Ausnahme Ihrer kaiserlichen Majestät haben Sie alle Ihr aristotelisches Leben unter dem Eindruck verbracht, daß ‚X’ entweder ‚A’ oder ‚Nicht-A’ ist. Durch Ihre herkömmliche Schulbildung sind Sie auf die zweidimensionale, plane aristotelische syllogistische Klassifikation beschränkt.“
    „Ich kann dem nicht folgen“, sagte der Kriegsminister Eldridge offen. „Was ist eine plane Klassifikation, und was hat sie mit der Existenz von … von … nun, sagen wir Muir oder Alar, zu tun?“
    „Holen Sie Ihr Notizheft heraus, und wir zeichnen ein paar Bilder.“ Es war Juana-Marias trockene, spöttische Stimme. Sie fuhr mit dem Motorsessel zu ihm hinüber. Der Mann zog etwas zögernd ein ledergebundenes Heft aus der Tasche.
    „Zeichnen Sie einen Kreis mitten auf das Blatt“, forderte ihn Juana-Maria auf.
    Der verblüffte Soldat tat es. Die Minister in der Nähe reckten die Hälse zum Heft hin.
    „Überlegen Sie sich die Frage. Ist Alar am Leben? Als Aristoteliker würden Sie nur zwei Möglichkeiten in Betracht ziehen. Er ist entweder am Leben oder tot. Folglich kann man in den Kreis ‚am Leben’ schreiben und ‚tot’ in den Raum außerhalb des Kreises. ‚Am Leben’ und ‚tot’ ergibt dann eine Menge, die die Aristoteliker eine ‚allumfassende Klasse’ nennen. Nur zu, schreiben Sie es hinein.“
    Die ironische Stimme fuhr fort. „Aber der Teil ‚tot’ der Karte, das dürfen Sie nicht vergessen, ist nur negativ definiert. Wir wissen, was er nicht ist, nicht jedoch, was er ist. Wenn es andere Zustände des Daseins gibt als die, an die wir gewöhnt sind, sind sie in diesem Teil der Karte enthalten. Die Ungewißheiten sind unendlich.
    Und weiterhin kann man die Seite aus dem Notizbuch als einen bloßen Kugelausschnitt betrachten, der von der Unendlichkeit eingeschlossen wird. Oben, unten und im Winkel gibt es ähnliche Kugelschnitte in derselben Kugel – unendlich viele. Das heißt, allein durch den Versuch, ein Problem auf lediglich zwei Alternativen zu reduzieren, stattet man es mit einer Unendlichkeit von Lösungen aus.“
    Eldridges Gesicht blieb starrköpfig. „Ohne unehrbietig sein zu wollen, Eure Majestät – darf ich dazu vorbringen, daß es sich bei solchen Überlegungen lediglich um weltfremdes Theoretisieren handelt? Ich behaupte, daß diese beiden Feinde des Reiches entweder am Leben oder tot sind. Wenn sie am Leben sind, muß man sie ergreifen und vernichten. Mit Ihrer Erlaubnis, Majestät, werde ich die Frage nochmals stellen, die zuvor dem Gehirn nur durch Implikation vorgelegen hat.“ Er wandte sich eisig an den Mann unter der Kuppel. „Ist Alar, der Dieb, am Leben?“
    „Beantworten Sie es also, wenn Sie es können, Gehirn“, sagte Juana-Maria mit einem gelangweilten Winken der runzeligen Hand.
    „In nicht-aristotelischen Begriffen“, erwiderte das Gehirn, „ist Alar am Leben. Er hat jedoch keine Existenz in einer

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