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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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»Es hat doch so gut geschmeckt.«
Noch am gleichen Tage strahlte das städtische Infonetz folgende Mitteilung aus:
»Vier Einwohnern unserer Stadt konnte am heutigen Tage die Auszeichnung ,Für besondere Leistungen im Erforschen des Früher’ verliehen werden.
In heroischem Selbstmordversuch haben die Ausgezeichneten nachgewiesen, daß sich die Leistungsfähigkeit der inneren Organe des Menschen in den letzten zweitausend Jahren erheblich rückentwickelt hat.
Die zutreffenden Dienste werden aufgerufen, sich mit dieser erschreckenden Tendenz eingehend auseinanderzusetzen.«
Es folgte eine genaue Darstellung des Versuchs.
    ∗ Vorwort und Nußcremerezept wurden entnommen aus »Das beste bürgerliche Kochbuch« von Emma Allestein. Elfte Auflage. Gera 1884.
∗ Das Rezept für die Sachertorte wurde nach mündlicher Überlieferung einer alteingesessenen Wiener Familie aufgeschrieben.

Bernd Ulbrich
Der verhexte Kater
    Am frühen Morgen passierten sie den Saturn in einer Entfernung von fünfzehn Millionen Kilometern. Wenig später beschwerte sich ein Reisender vom Penelopus über das Frühstück. Er verstieg sich schließlich zu der Verdächtigung, der Kommandant des Raumschiffes spare am Essen und die Gelder würden wer weiß wohin gelangen.
    Was für eine Niedertracht, dachte Jason. Er hatte, solange er Kommandant war, nie Ärger mit den Passagieren gehabt. Es war ihm unangenehm, sich mit derartigen Kleinigkeiten abzugeben. Kurzerhand ließ er den Burschen aus seiner Kabine werfen.
    Der Penelopeser wehrte sich mit allen Verästelungen, verankerte sich mit seinen Widerhaken an jedem erreichbaren Vorsprung und schrie schrill nach reinerem Silizium. Noch durch die Tür hörte Jason ihn mit der Intergalaktischen Sicherheitsbehörde drohen.
    Das Geschrei entfernte sich, wurde leiser und verstummte. Jason ließ sich seufzend in seinen Sessel sinken. Es war seine siebente Reise mit dem Fernkreuzer, seine fünfte als Kommandant. Er ordnete mechanisch die Papiere, fluchte hin und wieder leise und gab über Sprechfunk einige Anweisungen an die Besatzung. Hastig schlang er das Essen hinunter, das ein lautloser Roboter ihm servierte. Als sich die Tür hinter dem Automaten wieder schloß, wußte er bereits nicht mehr, was er zu Mittag gegessen hatte.
Während der Landephase saß Jason am Hauptsteuerpult. Das mächtige Schiff bebte. Die Bremstriebwerke arbeiteten regelmäßig. Der Fernkreuzer schwamm der Erdoberfläche entgegen. Zwanzig Kilometer über der Landepiste fiel ein Triebwerk aus. Jason freute sich beinahe darüber. Das Schiff sackte ein wenig durch. Er hatte es sofort wieder unter Kontrolle. Seine Anweisungen an Aggregate und Mannschaft kamen präzise. Es wurde eine einwandfreie Landung, wenngleich der vierhundert Meter lange Raumkreuzer auch ein wenig hart aufsetzte.
Jason ließ durch seinen Adjutanten einige höfliche Abschiedsworte an die Passagiere richten. Das war intergalaktischer Brauch. Schließlich hatte man eine Strecke von fast zwanzig Lichtjahren gemeinsam zurückgelegt.
Nachdem die Reisenden das Schiff verlassen hatten, begab sich Jason zum Gebäude der Flughafenleitung, um die notwendigen Formalitäten zu erledigen. Das Gefühl, wieder auf der Erde zu sein, überkam ihn immer erst, wenn er sich bei Raquil, dem Chefdispatcher, zum Urlaub abgemeldet hatte. Raquil war eine der Stationen seiner Flüge, die letzte und unangenehmste jedesmal.
Raquil empfing Jason überaus freundlich. Sein hageres Gesicht blähte sich auf, die Augen glänzten, und das spitze Kinn reckte sich noch weiter vor als sonst. Eigentlich glich er einem gackernden Vogel. Aber er lachte immer, wenn er einen zurückkehrenden Piloten begrüßte, immer auf die gleiche Art. Es war die größte Freude, die es für ihn gab, seitdem er als einziger eine Havarie jenseits des Uranus überlebt hatte.
Er kam Jason leicht hinkend entgegen, schüttelte ihm von unten herauf die Hand, denn er war erheblich kleiner, zerrte ihn in eine Ecke und drängte ihn in einen der tiefen Sessel. Jason versank in der Umklammerung des Sessels wie in einem Sumpf. Mit seiner Hilflosigkeit wuchs sein Mißtrauen. Die Begrüßung kam ihm diesmal zu freundlich vor.
So hatte Raquil vor acht Jahren gelacht, als er den frischgebackenen Astronavigator Jason zum ersten Mal begrüßte. Jason hatte es nicht vergessen. »Na, junger Mann, bißchen im Weltraum rumkutschieren? Wirst den kurzen Rutscher schon überstehen. Hat sich noch jeder daran gewöhnt. Ist wie mit der Seekrankheit.«

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