Der Mann von Nebenan
schließt sich, gemeinsam mit ihren Nachbarinnen, dem Treiben an.
Malise läßt es sich nicht nehmen, anstelle eines Dirndls eine Tuareg-Tracht anzulegen. Rita und Inge kleiden sich alpenländisch. Kate besitzt aus ihrer frühen Jugend noch ein Dirndl, das ihr aufgrund des jüngsten Gewichtsverlustes wieder paßt, allerdings nur in der Weite. Der Rock endet zwei Handbreit über den Knien, was irgendwie kindisch aussieht.
»Egal«, bestimmt Inge, »du kannst es dir leisten.«
Und so zieht Kate, die mißbilligenden Blicke der Bauersfrauen auf ihren nackten Beinen spürend, mit durchs Dorf und landet schließlich im Bierzelt, an einem der langen Holztische. Dort verflüchtigt sich das Interesse an ihrem Aufzug schnell, denn eine weitaus skandalösere Figur zieht die Aufmerksamkeit auf sich: Armin, der Friseur mit der Pudelfrisur, tanzt ausgelassen zur Blasmusik – im Dirndl!
»Das macht er jedes Jahr«, erzählt Malise unter dem Gekicher der Anwesenden. »Er behauptet, Lederhosen stünden ihm einfach nicht!«
»Der is scho als Bub in Kleidern ganga«, ergänzt ein Bauer vom Nebentisch. »A bißl verdraht is er scho, aber er duat ja keim was.«
Schnell ist die ausgelassene Weiberrunde umringt von jungen Burschen in Lederhosen und Wollstrümpfen, die sich mit auf die Bänke quetschen, bis niemand sich mehr rühren kann.
Malise läuft zu Hochform auf. Die älteren Leute im Zelt bedenken sie mit mißtrauischen Blicken; auf die jüngeren wirkt ihr schlechter Ruf wie ein Aphrodisiakum. Sie wird von Männern auf der Suche nach einem Abenteuer umschwärmt, wie die unzähligen gesegneten Pferdeäpfel draußen auf der Wiese von den Fliegen.
Fabian, der Schreiner, mit dem sie derzeit das Bett teilt, wird immer wortkarger. Um sein Gesicht zu wahren, versucht er einen Flirt mit Rita. Die schaukelt ihr Baby, das benommen von den Bierdämpfen und der Hitze in ihrem Arm hängt; dabei himmelt sie ihren eigenen Mann an. Alex ist, wie Kate zugeben muß, ein hübscher, wenn auch ziemlich nichtssagender Typ, der in seinem Zweireiher zwischen den Trachten etwas deplaziert wirkt.
Gustav berichtet wieder von seiner Hochzeit mit Hilde, während Inge versucht, sich den Avancen eines verwitweten Großbauern zu widersetzen, der sie unbedingt heiraten und auf seinen Hof verschleppen will.
»Geh, Wastl, du Depp, laß die Dame in Ruhe«, übernimmt einer der Männer Inges Verteidigung, aber Wastl-du-Depp ist hartnäckig.
»Hunnert Rinder un hunnertswansig Schafe«, lallt er, »un ein Mersedes kriegsu auch.«
Dann schläft er über seinem Maßkrug ein.
Kate ist so aufgekratzt wie lange nicht mehr.
»Ich hab’ einen Liebeszauber für dich gemacht«, flüstert Malise ihr ins Ohr und kitzelte sie dabei mit der Zunge.
Kate kichert verlegen.
»Na, da bin ich ja gespannt.«
Sie tanzen bayerische Volkstänze, bis sie kaum, noch können. Irgendwann findet sich Kate in den Armen von Franz wieder, der ihr vage bekannt vorkommt, sie weiß aber nicht, woher. In einer Musikpause begleitet er sie zum Zwecke der Frischluftzufuhr ins Freie.
»Stimmt das jetzt eigentlich, daß ihr alle was miteinander habt?« fragt er flüsternd, während sie versucht, herauszufinden, welcher von den beiden Monden am Himmel der echte ist.
»Wer soll was mit wem haben?« fragt sie verwirrt.
»Na, du mit deinen Nachbarinnen.«
Kate prustet vor Lachen.
»Du bist es«, nuschelt Kate und zeigt auf den rechten der beiden Monde.
Blitzartig tauschen die zwei die Plätze, und wieder weiß Kate nicht, welcher der richtige ist.
»Was redest du denn da?« fragt Franz amüsiert und lehnt sie gegen die Zeltwand.
Kate sieht ihm direkt ins Gesicht. Zwei freundliche Augen mustern sie interessiert, unter einem Trachtenhut quillt dichtes, dunkles Haar hervor, zwei warme Hände halten sie an den Hüften fest.
Ohne nachzudenken, schlingt sie die Arme um den Mann und lehnt ihr Gesicht an seines. Er erwidert die Umarmung; erst ein bißchen schüchtern, dann immer energischer. Seine Hände streichen über ihren Rücken, die Finger graben sich in ihr Gesäß. Sie spürt unter dem kräftigen Leder der Trachtenhose seine Erektion, neugierig folgt sie mit dem Finger der Wölbung.
»Komm«, sagt er und zieht sie mit sich.
Kate stolpert hinter ihm her und versucht, den Pferdeäpfeln auszuweichen, die überall herumliegen. Im Dunkeln hört sie die Tiere schnauben, die da und dort angebunden sind oder angeschirrt vor ihren Kutschen stehen und aus einem umgehängten Beutel Hafer fressen.
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