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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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man ihn Oberst?« fragte Kate überrascht.
    »Paßt doch zu ihm, oder nicht? Der hat so was Zackiges, wie ein Oberst halt. Ich finde ihn total unsympathisch. Die Frau kann einem leid tun.«
    »Wieso?«
    »Möchten Sie mit so einem verheiratet sein? Also ich nicht. Nach außen tut er immer so korrekt, aber der ist brutal. So was sieht man einfach, finden S’ nicht?«
    »Kennen Sie ihn näher?«
    Armin winkte mit einer affektierten Bewegung ab.
    »Naa, wirklich nicht. Mit dem will ja von uns keiner was zu tun haben. Kleine Mandelmaske?« fragte er und griff nach einem Töpfchen.
    »Nein, heute können Sie die Wimpern machen«, sagte Kate, weil sie vorhatte, ihm noch ein paar Fragen zu stellen. Wenn er eine Maske aufgelegt hatte, verbot Armin ihr immer, zu sprechen. »Sonst entspannen Sie sich nicht«, behauptete er, »und dann wirkt das teure Zeug nicht.«
    Armin legte kleine Wattebäusche unter ihre Augen und bestrich die Wimpern mit einem Färbemittel. Kate bemühte sich, nicht mit den Lidern zu zucken. Wenn die Flüssigkeit in die Augen lief, brannte es wie verrückt.
    »Mattuschek will, daß ich meine Werkstatt abreiße«, erzählte Kate in der Hoffnung, den Pudel zu weiteren Einzelheiten zu animieren.
    Er stieß einen kleinen, spitzen Schrei aus. »Aah, dann können Sie sich auf was gefaßt machen! Der ist ein Prozeßhansel. Der prozessiert so lange, bis Sie in die Knie gehen.«
    Kate schluckte. Das hörte sie nun schon zum zweiten Mal.
    Die Tür wurde geöffnet, und jemand betrat den Laden. Kate wollte nicht weitersprechen, ohne zu wissen, wer mithören konnte. Fieberhaft überlegte sie, zu welchem Thema sie unverfänglich wechseln könnte.
    »Und wie war’s sonst bei Ihnen, Armin, hatten Sie Spaß beim Leonhardifest?« fragte sie munter.
    »Total viel Spaß«, hörte sie Armins Stimme. »Ich hab’ an der Losbude einen Mikrowellenherd gewonnen. Und als ich nachts heimgegangen bin, hab’ ich doch tatsächlich zwei gesehen, die’s auf einem Pferd getrieben haben!«
     
    Fast täglich fand Kate in ihrem Briefkasten Beschwerden und Widerspruchsbriefe aus der Feder von Mattuschek, der offenbar den Abriß des Schuppens zu seinem Lebensziel erklärt hatte.
    Kate hatte sich fast schon daran gewöhnt; meist las sie das Zeug gar nicht mehr, sondern schickte es postwendend an Olga weiter, die ihrerseits Briefe, Schriftsätze und Erwiderungen auf Schriftsätze verfaßte.
    Mattuschek hatte sich, wie von Kate erwartet, nicht auf Olgas Vorschlag mit der Ablöse eingelassen und war vor Gericht gezogen. Es ging ihm nicht um Geld, es ging ihm vermutlich nicht mal ums Rechthaben, es ging ihm schlicht darum, Kate fertigzumachen.
    Immer wieder legte Olga ihr nahe, über einen Verkauf des Hauses nachzudenken. »Glaub mir, der wird nicht aufhören! Der Typ ist ein Psychopath. Ich kenne die Sorte!«
    »Verkaufen?« brauste Kate auf. »Ich denke nicht daran. Ich hab’ mir ein Bein ausgerissen für das Haus. Ich lasse mich nicht vertreiben!«
    »Bis so was entschieden wird, können Jahre vergehen«, gab Olga zu bedenken.
    »Und wenn schon, das stehe ich durch!« verkündete Kate kämpferisch.
    In Wahrheit belastete sie der schwelende Streit mehr, als sie sich eingestehen wollte. Manchmal überlegte sie, ob sie noch einen Vorstoß machen sollte, den grollenden Nachbarn zu versöhnen. Aber sie spürte, wie groß der Haß war, der sich bereits in ihr angestaut hatte.
    Sie bemühte sich, wenigstens seine Frau nicht in ihren Ärger mit einzubeziehen, aber es gelang ihr nicht. Gudrun, die bisher immer so sanft und freundlich gewesen war, lief nun ebenfalls mit verbissener Miene herum und grüßte nicht mehr.
    Kürzlich hatte Inge sich ihr in den Weg gestellt und gesagt: »Mensch, Gudrun, hör auf mit dem Theater. Bring deinen Alten zur Vernunft, der verpestet die Stimmung.«
    »Wenn hier jemand die Stimmung verpestet, dann seid ihr das«, hatte Gudrun zurückgegiftet. »Ihr werdet euch noch wundern! Wundern werdet ihr euch!«
    Damit waren die Fronten klar. Gudrun gehörte, egal, ob sie geprügelt wurde oder nicht, ab jetzt ins Feindeslager.
    Eines Tages trat der Kampf in eine neue Phase.
    Rita erhielt eine Aufforderung von Mattuschek, das Schreien des Babys auf die Zeit zwischen zehn und sechzehn Uhr zu beschränken. Malise bekam eine Tonbandkassette mit Liebesgestöhn – angeblich ihr eigenes. Inge hatte mitten auf der Straße eine lautstarke Auseinandersetzung mit Mattuschek, der Gustav erneut wegen der Mülltonnen angebrüllt

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