Der Mann von Nebenan
hatte.
Kate erhielt eine Anzeige wegen fortgesetzter Ruhestörung. Beigefügt war ein Gutachten, in dem bestätigt wurde, daß das nachmittägliche Flötenspiel aus dem Nachbarhaus beim Anzeigensteiler, Herrn Wilfried Mattuschek, schwere Migräneanfälle auslöse. Er beantrage daher das Verbot des Flötenspiels. Komplizierte Berechnungen der Dezibelstärke und der Frequenz der einzelnen Töne sowie ihre Auswirkungen auf den menschlichen Organismus vervollständigten das Schreiben.
Kate raste zum Telefon. Aufgelöst las sie Olga den Text der Anzeige und das Gutachten vor.
»Du weißt, wie ich darüber denke«, sagte Olga sanft.
»Ich zieh’ diese Sache für dich durch, wenn du willst. Aber erstens gibt es keine Garantie, daß wir es schaffen. Und zweitens glaube ich nicht, daß du diese Belastung auf Dauer aushältst.«
Wie früher, wenn sie es mit einem besonders starken Gegner zu tun hatte, brach Kates unbedingter Siegeswille durch. Sie konnte nicht aufgeben, auf gar keinen Fall. Sie mußte den Kampf kämpfen – und sie mußte ihn gewinnen. Sie ertrug einfach keine Niederlagen.
»Nein«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich lasse mich von diesem Arschloch nicht kleinkriegen. Wenn er den Krieg will, kann er ihn haben.«
Auch die anderen Frauen waren aufgebracht.
»Jetzt dreht er völlig durch, dieser Schwachkopf!« tobte Rita. »Ich kann mein Kind schließlich nicht knebeln, damit es nicht brüllt!«
Inge hatte alle Hände voll zu tun, den aufgelösten Gustav zu beruhigen. Zwei Tage lag er mit Kreislaufbeschwerden und Atemnot im Bett, bis er anfing, den Vorfall zu vergessen.
»Irgendwann kriegt er noch einen Herzinfarkt«, befürchtete sie. »Ich finde, es reicht jetzt. Wir müssen uns endlich wehren!«
»Zucker in den Tank«, schlug Rita sofort vor, »dann geht sein Motor kaputt.«
»Schon mal was von abschließbaren Tankdeckeln gehört?«
Inge bedachte die jüngere mit einem nachsichtigen Blick.
»Pattex in die Türschlösser«, war Ritas nächster Vorschlag, aber auch der wurde als zu kindisch verworfen.
»Wir sollten ihm eine Karre Mist in den Garten kippen«, überlegte Kate.
»Dann stinkt’s ja bis zu mir rüber«, protestierte Malise.
»Eins auf die Fresse«, sagte Inge lapidar. »Das ist die einzige Sprache, die so einer versteht.«
»Au ja«, ereiferte sich Rita, »ich könnte Ronald fragen, der ist bayerischer Mittelgewichtsmeister im Boxen. Der poliert ihm die Klappe, daß er danach keine Zähne mehr im Maul hat!« Mordlustig ballte sie die Fäuste.
»Vergiß nicht, daß dein Ex-Freund gern auch mal die Falschen verprügelt«, warf Inge ein.
Rita wurde blaß.
»Das ist alles Bullshit«, nahm Malise den Faden wieder auf. Versonnen fuhr sie fort: »Ich habe eine ganz andere Idee.«
»Willst du ihn verhexen?« fragte Kate.
»So ähnlich«, sagte Malise. »Laßt mich nur machen.«
ZEHN
K ate fand zwei Karten für ein Konzert des »Amsterdam Loeki Stardust Quartet« in ihrem Briefkasten.
»Oder willst du lieber ins Fußballstadion?« hatte Franz dazugeschrieben.
Kate lächelte in sich hinein. Insgeheim hatte sie gehofft, ihn wiederzusehen, aber nie hätte sie den ersten Schritt getan.
»Konzert geht in Ordnung«, schrieb sie zurück, überrascht von seinem treffsicheren Geschmack. Hauptsache war sowieso, der Abend endete im Bett. Dafür wäre sie mit ihm auch zu einem Vortrag über Quantenphysik gegangen.
Am verabredeten Tag stand er Punkt sieben vor ihrer Tür. Nicht in Lederhosen, wie Kate mit leisem Bedauern feststellte, sondern in einem modischen Anzug. Er wollte ihr die Hand geben. Sie ignorierte seine ausgestreckte Rechte und drückte ihm einen Begrüßungskuß auf die Wange. Höflich hielt er ihr die Autotür auf.
»Nach dem Konzert könnten wir was essen«, schlug er vor. »Ich habe einen Tisch in einer sehr netten Trattoria reserviert.«
»Was du willst«, sagte Kate mit kokettem Augenaufschlag und hoffte, es klänge zweideutig.
Auf der Fahrt in die Stadt erzählte Franz, daß er geschieden sei und eine Tochter habe. Leider lebe sie mit ihrer Mutter weit entfernt und er könne sie selten sehen. Er hatte eine Bäckerlehre gemacht, aber immer davon geträumt, Entwicklungshelfer zu werden. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters hatte er diese Pläne begraben. Nun führte er den Familienbetrieb.
Die vier Jungs vom »Stardust Quartet« erfüllten mühelos Kates Erwartungen; zuerst spielten sie eine Reihe Barocksonaten, am Schluß swingte das Publikum zu Hits wie
Weitere Kostenlose Bücher