Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel
Nazis, außerdem wurden auch der Kunstmarkt und das Klima immer perverser!
Paul ging ins Haus zurück. Er nahm eines der alten weißen Bettlaken aus dem Eichenschrank, lief zum Reichsbauernführer und verhüllte ihn.
Er musste nur an sein Erbe denken, um zu wissen, was er am nächsten Morgen zu tun hatte. Er würde mit Gerken und Renken, vielleicht auch mit Semken reden. Herr Lundt, der NASA-Physiker, war unbedenklich, der schwebte sowieso woanders. Wichtig war es, Malte Jahn zu isolieren, als Denunzianten, als Neid-Menschen, Gründe gab es ja genug, es war eben alles wie früher.
Und als Allererstes musste er den Bauernführer entsorgen - sachlich, kühl, an sein Erbe denkend, auch an den Großvater. Dabei könnte er jetzt einmal vor seiner Mutter den Helden spielen, die Ehre der Familie retten und den schwierigen Geschichtsmüll verschwinden lassen.
Er nahm sein Notizbuch und schrieb unter die Zeile »Aktuelle Probleme«:
Nazi-Skulptur entsorgen!!
Brüning im Preis für Neugründung drücken!
Jonas anrufen wegen Pornoprojekt: Hotelbilder müssen
nach Görlitz, Döbeln, Magdeburg.
Eventuell Christina loslassen.
Darunter notierte er:
Was für Tage!
Einmarsch der USA in Bagdad.
CIA nimmt Al-Qaida-Kopf in Pakistan fest.
Ausgrabung des Reichsbauernführers in Worpswede.
Vielleicht half es, sich das Ganze als Film vorzustellen? So würde er gern deutsche Geschichte im Kino sehen, dachte Paul. Er legte sich ins Bett und überlegte, wer seine Rolle spielen könnte.
Ohlrogge steht im Bett und versteht, warum Paul Kück den Güllegarten damals nicht umgraben ließ (Die Meldung!)
Ohlrogge hatte sich vorgestellt, wie der Rest seines Lebens verlaufen könnte, und war mit kalter Angst eingeschlafen. Nun wachte er sehr früh am Morgen neben der zerwühlten Zeitung auf, die er gestern vor lauter Düsternis und Schwere nicht gelesen hatte. Sein Blick fiel genau auf die Nachricht »Der Fall Kück«, die Seite lag wie herausgesucht und hingefaltet neben seinem Kopfkissen:
In der Künstlerkolonie Worpswede wurde bei Grabarbeiten im Garten des 1978 verstorbenen Bildhauers Paul Kück ein Denkmal entdeckt, bei dem es sich um den NS-Reichsbauernminister Richard Walther Darre handeln könnte, dessen Buch »Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse« 1933 von Adolf Hitler für die Neuausrichtung der Agrarpolitik aufgegriffen wurde. Paul Kück wurde erst vor wenigen Tagen als Künstler des Jahrhunderts geehrt. Der Bürgermeister des Künstlerdorfs erklärte, er wolle sich erst nach Prüfung der Fakten äußern. (Bericht folgt.)
Ohlrogge stand aufrecht im Bett: Mein Gott, jetzt weiß ich, warum Paul Kück damals nach der Gülle-Hochzeit vorgab, er würde alles selbst machen!! Den Garten selbst ausheben und vom Nitrat reinigen! Selbst mit Frischerde auffüllen und Gras säen! Und am Ende lässt er sich die sechshundert Kubikmeter Frischerde und die Saatgut und die sechs Wochen Arbeitslohn von drei Mann eines Meistergärtnereibetriebs auszahlen! Er nimmt nur die 22.700 Mark und kauft sich damit tonnenweise seine Scheißspezialpaste für die Korrosionsschäden an den Skulpturen!! Dazu kauft er sich vielleicht noch schöne Edelbronze oder Butterkuchen bis in alle Ewigkeiten, vielleicht verfickt er auch das Geld, aber im Garten rührt er keinen Finger!!! UND WARUM WOHL! ?!
Ohlrogge sprang aus dem Bett, zog mit einem Ruck alle Laken weg, die jene Kisten von damals verhüllten. Der Staub wirbelte auf und Ohlrogge wühlte, suchte, kramte in den Vergangenheitskisten, bis er sie fand: die alte Liste mit der »Nordischen Gesellschaft« und die Visitenkarte. Er legte sich die Polizeimarke und die Zeitungsseite mit dem »Fall Kück« bereit, griff zum Telefon und wählte mit zitternden Fingern die Nummer von Dr. Anton Rudolph, um ihm bereits zu dieser frühen Stunde eine dringende Nachricht zu hinterlassen.
Nullkück beginnt die Vergangenheit auszudrucken (Und die Tochter kämpft für den Vater - Muttertelefonat Nr. 4)
Paul saß am Morgen des vierten Tages in der Küche mit einem Buchweizenomelett und Apfelgelee und starrte durch das Fenster in den Garten, in dem die Brünings ihre Arbeit mit Spaten und Stechschaufeln fortsetzten. Kovac hatte er bereits in Berlin angerufen und um Unterstützung gebeten. »Paulus«, hatte Kovac gesagt und sich über den Anruf gefreut, obwohl er bestimmt gerade wieder ölverschmiert unter irgendwelchen Karossen schraubte. Acht Euro die Stunde pro Mann
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