Der Marathon-Killer: Thriller
durch einen offenen Eingang. Drinnen stand ein kleiner Tisch, ein Mann kehrte ihnen den Rücken zu und sprach in ein Handy. Er drehte sich, eine Zigarette in der Hand, kurz zu Marchant um und sprach leise weiter, auf Kannada, wie es schien, der in dieser Region Südindiens verbreiteten
Sprache. Er trug bessere Kleidung als die Fischer, neue Jeans, bedrucktes T-Shirt und eine Sonnenbrille, die er auf den Kopf geschoben hatte. Einen Moment lang erinnerte Marchant sein jungenhaftes Aussehen an Shah Rukh Khan. Marchant betrachtete die verblichenen Postkarten, die an den Holzpfosten, der das Dach in der Mitte stützte, geheftet waren: London, Sydney, Kapstadt.
Ein mäßiger Versuch der Tarnung, dachte Marchant.
»Willkommen im Shanti Beach Café«, sagte der Mann und steckte sein Telefon ein. Er musterte Marchant von Kopf bis Fuß. »Genau unsere Sorte Gast.«
»Ich möchte zu Bruder Salim«, sagte Marchant und spannte die Bauchmuskeln an. Insgeheim erwartete er, dass man ihn schlagen, fesseln und ihm die Augen verbinden würde.
»Er wartet schon auf dich. Es ist ein langer Marsch von hier aus. Ich weiß nicht, wer du bist und woher du kommst, aber diese beiden bringen dich um, wenn du irgendetwas anstellst. Befehl von Salim.«
Vier Stunden später erreichte Marchant die Kuppe eines Hügels und blickte über dichte Vegetation hinunter auf den Shanti Beach. Der Aufstieg in der Hitze war anstrengend gewesen, und er war außer Atem und durchgeschwitzt. Die beiden Fischer schoben ihn weiter. »Chalo«, drängte der größere. Auf dem ganzen Weg hatte bislang keiner von beiden ein Wort gesprochen oder war auf Marchants Bemühungen auf Hindi eingegangen.
Marchant marschierte weiter und genoss es, zum ersten Mal seit dem Strand wieder bergab zu laufen. Er fragte sich, ob er dieses wunderschöne Paradies lebend verlassen würde. Zwei Greifvögel schweben hoch über ihm am
Himmel und nutzen die Thermik. Warum hatte Dhar zugestimmt, sich mit ihm zu treffen? Würde er von ihm Antworten bekommen, was seinen Vater betraf? Wahrscheinlich war das Namaste Café von Onkel K als Treffpunkt benutzt worden, als er versucht hatte, Dhar zu rekrutieren. Und nun hatte ihn die Nachricht erreicht, dass ein Weißer dort nach »Bruder Salim« gefragt hatte.
Als ein Gewehrschuss knallte, ließ Marchant sich in den roten Staub fallen und suchte verzweifelt nach Deckung. Zum ersten Mal, seit sie vom Namaste Café aufgebrochen waren, grinste der größere Fischer Marchant an und ging weiter, als wäre nichts geschehen. Der Fischer enthüllte dabei Zähne, die von Betelnusssaft blutrot gefleckt waren. Wieder knallte ein Schuss. Marchant hörte diesmal genau hin und vermutete ein Gewehr, das in einer Entfernung von ungefähr zwanzig Metern abgeschossen worden war. Seine Schießausbildung im Fort hatte er mit Auszeichnung abgeschlossen. Er blickte nach vorn, und auf dem Weg kam ihm eine Gestalt mit einem Sportgewehr Kaliber.315 entgegen, das der Mann über der Schulter trug. Marchant wusste sofort, dass er Salim Dhar vor sich hatte.
42
Leila hörte zu, während Monk Johnson das Programm des achtundvierzigstündigen Präsidentenbesuchs in Delhi durchging. Zusammen mit ihr saßen über zweihundert Menschen in dem Saal, so viele, wie eben hineingingen. Es handelte sich fast ausschließlich um Angehörige des US Secret Service, die als Vorbereitungsteam seit einem Monat in Indien waren und vergeblich versuchten, ihr Handbuch für Sicherheitsbestimmungen auf ein sich permanent im Fluss befindliches Land zu übertragen. Außerdem waren einige leitende CIA-Mitarbeiter anwesend, darunter Spiro, der neben Johnson auf dem Podium saß und in der Hitze schwitzte. Die Klimaanlage der US-Botschaft lief auf Hochtouren, um die Temperatur nicht ins Endlose steigen zu lassen.
Johnson, der Leiter des Vorbereitungsteams, stand vor einem hoch aufgelösten Satellitenbild von Neu-Delhi, auf dem die wichtigsten Orte in Rot markiert waren: das Rote Fort, Rajpath, der Lotustempel, die US-Botschaft und das Maurya Hotel, wo der Präsident wohnen würde. Rechts davon sah man ein größeres, noch detaillierteres Bild des Lotustempels im Süden der Stadt, wo eine rote Linie einen breiten Zugangsweg durch den parkähnlichen Garten markierte, der zum eigentlichen Tempel führte.
An verschiedenen Punkten entlang des Wegs waren Uhrzeiten eingetragen, ebenfalls in Rot: 17:28; 17:30; 17:35.
Spiro wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab und ordnete seine Notizen, ehe er
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