Der Marathon-Killer: Thriller
genommen. Sie hatten konspiriert, um Leila gegen
ihn zu wenden, jetzt mussten sie mit den Konsequenzen leben.
Er hatte den Amerikanern alle Beweisstücke zukommen lassen, die er in der Hand hatte, doch das hatte nicht genügt, um sie zu überzeugen. Nebensächliche Indizien, hieß es bei der CIA. Leila war ihre große Neuerwerbung, die Agentin, die einem amerikanischen Botschafter das Leben gerettet hatte. Die CIA würde sie von niemandem als iranische Spionin entlarven lassen, und schon gar nicht von einem angezählten britischen Spionagechef, bei dem die Amerikaner nicht sicher sein konnten, wem seine Loyalität eigentlich galt.
Sie hatten sich Myers geschnappt, einen unschuldigen Mann, der lediglich versucht hatte, das Richtige zu tun. Der MI5 sprach von einem ernsthaften Sicherheitsleck, das nach strafrechtlicher Verfolgung verlangte. Leila würde als Zeugin dazugebeten werden, um zu bestätigen, dass Myers am Vorabend des Marathons vertrauliche Informationen weitergegeben hatte. Fielding würde ebenfalls aussagen und erklären müssen, aus welchem Grund Myers die Transkripte aus Cheltenham mitgenommen hatte.
Es dauerte einige Augenblicke, bis er begriff, dass sein Telefon klingelte. Nicht viele Leute kannten seine Privatnummer. Er ging hin und nahm ab. Es war Anne Norman.
»Marcus?« So hatte sie ihn bislang nie genannt.
»Anne?« Er hatte sie noch nie mit dem Vornamen angesprochen.
»Da möchte jemand unbedingt mit Ihnen reden. Aus Indien.«
»Und zwar?«
»Daniel. Daniel Marchant.«
Das Boot fuhr nach dem Frühstück ab, so wie Shankar versprochen hatte. Marchant traf sich mit dem Besitzer vor dem Café und ging mit ihm zum Wasser, wo sein Sohn ein Gewirr blauer Netze im Bug des Bootes verstaute. Der Besitzer war ein fröhlicher Mann mit stolzem Bauch und scherzte schon bald mit Marchant über sein Unglück am gestrigen Abend.
»Du hast wie eine Riesenqualle im Wasser getrieben!«, sagte er und klopfte ihm auf den Rücken.
Das Lachen endete, als Marchant mit dem Kopf auf zwei Bidis rauchende Fischer deutete, die hinten am Strand aus dem Schatten der Kokospalmen traten und durch den Sand auf sie zukamen. An ihrer gleichgültigen Haltung erkannte er sofort, dass sie ihn zu Dhar bringen würden. Schweigend schauten sie zu, wie der Besitzer und sein Sohn mit dem Boot kämpften, um es ins Wasser zu bringen, Marchant half ihnen. Sobald es schwamm, wateten die beiden ins seichte Wasser und stiegen ein, das Hilfsangebot des Sohnes ignorierten sie. Der Besitzer warf Marchant einen nervösen Blick zu, ließ den Motor an und steuerte das Boot auf die Landzunge zu.
Zu seiner Erleichterung konnte Marchant die Fregatte nicht mehr am Horizont entdecken. Er schaute landwärts zur felsigen Küstenlinie und den dahinter liegenden Hügeln. Auf einem der Berge stand ein Mast mit Antennen und Satellitenschüsseln. Früher hätte ihn deren Anwesenheit in einer solch rauen, von der Zeit unberührten Umgebung gestört, doch er wusste, sie waren im modernen Indien, und heute hatte der Anblick des rot-weißen Masts sogar etwas Tröstliches an sich.
Nach zwanzig Minuten entdeckte Marchant einen kleinen
Strand mit Hütten aus Lateritsteinen, die in Konkan aus der Erde gewonnen werden. Die Gebäude waren in die Hügel gebaut. Er glaubte, auch ein oder zwei westliche Touristen auf dem Strand zu erkennen, doch der Besitzer fuhr an diesem Strand vorbei. Hätten nicht die beiden schweigenden Kerle hinter ihm gesessen, so hätte Marchant die Gischt und den Sonnenschein auf dem Meer genossen, doch die zwei erinnerten ihn ständig daran, was vor ihm lag.
Eine Stunde später drückte der Besitzer endlich die Ruderpinne von sich fort und steuerte auf die Küste zu. Der Sohn sprang als Erster von Bord und zog das Boot zum Strand. Marchant stieg in das flache blaue Wasser und ging an Land. Die beiden unheimlichen Fischer folgten ihm. Es war eine kleine Bucht, kaum fünfzig Meter lang und an beiden Enden von steilen Klippen geschützt. Oben am Strand stand eine wackelige Hütte aus Holz und Palmblättern, und zwischen Kokospalmen waren im Schatten einige Hängematten gespannt. Auf einem Schild war in den Farben der indischen Nationalflagge »Shanti Beach Café« zu lesen. Hier gab es keine Touristen aus dem Westen, kein Anzeichen dafür, dass hier irgendwer übernachtete. Während sich Marchant noch umschaute, gaben die beiden Männer ihm ein Zeichen und drängten ihn weiterzugehen.
Er folgte ihnen zur Hütte, und sie führten ihn
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